Weihnachtszeit ohne Christkindlesmarkt? Wie Augsburgs Schausteller diese Situation betrachten

Glühwein wurde Literweise weggeschüttet

Nach der Ministerpräsidentenkonferenz von Markus Söder war der Aufschrei riesig. Alle Schausteller, aus ganz Bayern, werden daher sehr frustriert über die Baden-Württemberger Grenze schauen. Auf der einen Seite der Donau darf man schlemmen und den Glühwein genießen, auf der anderen Seite des Flusses wurde der Glühwein Literweise weg geschüttet. Nicht nur bei dem enttäuschten Publikum gab es lange Gesichter, sondern auch zwischen den Schaustellern und der Stadt Augsburg hitzige Diskussionen. Wofür haben wir ein Hygieneschutzkonzept vorbereitet? Was passiert nun mit den ganzen Lebensmitteln? Werden wir auf unseren Unkosten sitzen bleiben? Das und viele Fragen mehr geisterten durch die Köpfe der Beschicker. TRENDYone hatte mit mehreren Schaustellern über deren Situation gesprochen und konnte einige Antworten finden.

Edmund Diebold - Engelespyramide

„Unsere Überbrückungshilfen des 1. Halbjahres von 2021 kamen erst im November 2021 bei uns an. Insgesamt hatten wir einige Teile der Waren für den Christkindlesmarkt schon bezahlt, allerdings waren diese teilweise nur mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum von Mitte 2022 gekennzeichnet. Die auf Kommission gekauften Lebensmittel können zurückgegeben werden – allerdings musste ich Teile davon abnehmen. Dasselbe Problem besteht bei unseren Zulieferern, irgendjemand muss die Waren am Ende des Jahres dann auch bezahlen. Meiner Ansicht nach, haben die Medien dieses Thema so aufgebauscht, dass die Weihnachtsmärkte als Pandemietreiber dargestellt wurden, obwohl diese noch gar nicht geöffnet hatten. Alles, was im Freien stattfindet und ein gutes Hygienekonzept hat, wie es für den Christkindlesmarkt geplant war, wäre bedenkenlos möglich gewesen. Daher habe ich kein Verständnis für die pauschale Absage der Staatsregierung, während die Indoor-Gastronomie weiterhin möglich bleibt.  Meine Kollegen und ich sind sehr froh darüber, dass die Stadt Augsburg bis zuletzt versucht hatte, den Christkindlesmarkt stattfinden zu lassen.

Josef Diebold - Weihnachtskarusell

„Unsere stornierbare Ware geht zurück. Offene Gebinde und verderbliche Ware wird von uns nach Möglichkeit verkauft oder gar verschenkt. Leider gibt es auch individuelle Waren, welche weggeworfen werden müssen, da sie offen nicht weiter gereicht werden dürfen. Der Christkindlesmarkt stellt nicht nur für die regionalen Schausteller die wichtigste Haupteinnahmequelle dar, sondern spielt z.B. auch eine wichtige Rolle für die Lieferketten und Dienstleister. Teilweise sind die Anträge der Überbrückungshilfe für das erste Halbjahr noch in Bearbeitung und damit noch nicht einmal ausbezahlt. Zur aktuellen Situation gibt es noch keine genaue Aussage, wie dieser existenzbedrohende Totalausfall gedeckelt werden kann. Hierzu finden im Laufe der nächsten Wochen Besprechungen im Wirtschaftsministerium statt. Sofern es zu keiner entsprechenden Unterstützung kommt, wird es zu zeitversetzten Pleiten und Insolvenzen führen. Der Christkindlesmarkt war sehr gut geplant (mit einem tragfähigen und durchführbaren Hygienekonzept) und bis zuletzt stand die Stadt Augsburg voll dahinter. Nach 22 Monaten Berufsverbot hätte uns die Durchführung Hoffnung für unsere Branche und das kommende Jahr versprochen.“ 

Harald Ebert - Steak- & Spießbraterei

„Seit Heiligabend 2019 keinerlei Einnahmen mehr. Mir persönlich wurden  in den letzten 2 Jahren wegen der Pandemie insgesamt 20 Veranstaltungen abgesagt. Komplett unvorbereitet auf diese Umsatzreduzierung. Anfang 2020 auf Null wurden zuerst alle Ersparnisse aufgebraucht. Im Sommer 2020 blieb nichts mehr anderes übrig, als einen Kredit aufzunehmen, um all den weiterlaufenden Zahlungen nachkommen zu können. Zwei Corona-Veranstaltungen 2020 (die in einer abgespeckten, kleineren Form stattfanden) brachten keinen Gewinn ein. Alle Hoffnungen lagen deshalb auf dem Augsburger Christkindlesmarkt 2020. Kurz vor dem Aufbau wurde im November 2020 dann auch dieser abgesagt. Für diesen bekamen wir Markthändler dann November- und Dezemberhilfe die, recht spät, im Februar 2021 ausbezahlt wurden. Im neuen Jahr wurde wieder eine Veranstaltung nach der anderen, step by step abgesagt. Für das erste Halbjahr 2021 bekam ich im Herbst dann 7500.-€ Zuschuss. Eine Summe von der ich nicht einmal die Alimente für meinen Sohn und die Krankenkasse bezahlen kann. Herbst 2021 wieder ein Versuch einer Corona-Veranstaltung, die wiederum nach Zahlung aller Unkosten nach Steuern keinen Gewinn erwirtschafteten konnte, da mir der Alkoholverkauf untersagt wurde. Alle Hoffnungen lagen nun wieder auf den Augsburger Christkindlesmarkt 2021. Beim Aufbau hatten wir natürlich schon ein mulmiges Gefühl, wohl wissend, dass nur der reine Aufbau meines Geschäftes einen Preis von ca. 2000.- Unkosten hat. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Drei Tage vor Eröffnung, der ganze Christkindlesmarkt hatte nun bereits komplett aufgebaut, nebenbei Personal gesucht und angemeldet, wurde nun auch bereits Ware eingeräumt... - auch die Absage zum Augsburger Christkindlesmarkt 2021! Nun gibt es wieder ein Bangen um die nächste Veranstaltung, die leider erst in 4 Monaten stattfinden sollte, der Augsburger Oster-Plärrer 2022…und natürlich die Frage, werden wir wirklich in ausreichender Form unterstützt, oder ist nun wieder ein Gang zur Bank notwendig, um sich dort ein zweites Mal einen Kredit geben lassen zu müssen, der natürlich auch irgendwann mit Zins (1,24%) zurückbezahlt werden muss…!“

Heino Steinker - Schlemmerhütte

„Wie soll ich dieses Gefühl beschreiben? Am ehesten als eine Weltuntergangsstimmung, überall war Land unter. Die Überbrückungshilfen vom Freistaat Bayern sind bei weitem noch nicht bei allen angekommen - obwohl sie jedem von uns zugesichert worden sind. Dazu kommt, dass wir noch nicht mal die Überbrückungshilfen für den Sommer erhalten haben. Unsere Ware wurde direkt mit der Auflage produziert, dass man sie anschließend nicht mehr zurückgeben kann. Es fühlt sich an wie ein Messerstich ins Herz, für alle Schausteller und Veranstalter. Das Ersparte wird nun für den Lebensunterhalt restlos aufgebraucht und viele werden es meiner Meinung nach beruflich nicht mehr überleben. Besonders leidtun uns natürlich auch die Familien und Angestellten, welche fix mit dem Lohn und der Arbeit gerechnet haben. An dieser Stelle möchte ich mich allerdings bei der Stadt Augsburg bedanken, welche bis zum Schluss hinter uns stand und uns den Rücken gestärkt hat.“

Sandra Erlinger - Erlinger´s Bonbonnerie

„Im letzten Jahr konnten wir uns wenigstens etwas früher darauf einstellen, dass es keinen Christkindlesmarkt geben wird. Heuer war alles sehr kurzfristig mit der Absage. Viele Sonderartikel wie Wurzelbrot, Früchtebrot, Lebkuchen sowie Nougatbusserl haben wir aus kleinen Bäckereien bezogen und alles wurde extra hergestellt. Im Oktober mussten wir schon die Mengen bestimmen, um den Einkauf und die Produktion fertigstellen zu können. Dazu kommt, dass dieses Jahr die Rohstoffe wie Datteln und Zimt sehr rar waren. Als es hieß „der Weihnachtsmarkt findet statt“ haben wir groß eingekauft, da wir einfach nicht in einen Lieferengpass kommen wollten. Hätte die Stadt Augsburg eine Woche früher den Markt abgesagt, hätte sich für uns Warentechnisch nicht mehr viel verändert. Wir versuchen jetzt das Früchtebrot an Unternehmen, Altenheime und Betriebe zum Einkaufspreis weiter zu verkaufen, da wir die Lebensmittel nicht wegschmeißen wollen. Wir öffnen nun von 12 Uhr – 19 Uhr an den kommenden Mitwochen bis Samstagen – im Industriegebiet am Mittleren Moos 14 und versuchen unseren Schaden so gut es geht zu begrenzen. Nachdem wir ein Betrieb ohne große Unkosten sind, bringt uns die Überbrückungshilfe leider gar nichts. Wir konnten zum Glück alle Kosten und Nebenkosten decken, nur die persönlichen Versicherungen sind ein großes Problem. Die IHK ist überlastet, dementsprechend bekommen wir auch auch die Überbrückungshilfe 3 nicht. Die allgemeine Stimmung ist sehr gespalten, niemand ist sich über die Entscheidung der Politik einig. Alles in allem probieren wir das Beste aus der Situation zu machen und den Kopf nicht in den Sand zu stecken.“

Ronny Plötz  - Riesenbosna

„Als die Nachricht kam, dass die gesamten Weihnachtsmärkte in Bayern schließen müssen, war ich und all meine Kollegen erstmal geschockt. Weil man sich schon fragt, wofür man alle Vorbereitungen getroffen hat und auch geldlich bereits in Vorauszahlung gegangen ist. Wir können einfach nicht nachvollziehen, warum Läden und Geschäfte offenbleiben dürfen, obwohl wir ein perfekt ausgearbeitetes Hygienekonzept hatten. Denn auch die Buden wurden beispielsweise so aufgebaut, dass die Gassen von den üblichen 5 Metern Bereite auf 10 Meter erweitert wurden, um mehr Abstand halten zu können. Ich finde es ungerecht, weil der Weihnachtsmarkt an der frischen Luft und mit guten Kontrollen statt gefunden hätte. Alle Schausteller sind ratlos und enttäuscht über die Entscheidung von Markus Söder – denn wenigstens kam letztes Jahr die Absage pünktlich. Dieses Mal war es einfach viel zu knapp. Wir haben unser Fleisch, also bei uns die Wurst für die Bosna schon am Mittwoch geordert und das in so geringen Mengen wie nur möglich, weil wir uns schon gedacht hatten, dass der Christkindlesmarkt schließt. Es gibt aber auch Lebensmittel, wie Gewürze, Ketchup und Zwiebeln, welche vom Umtausch ausgeschlossen sind. Wir verwenden viele Lebensmittel nun selbst und probieren einiges an die Tafel zu spenden, der Rest muss dann leider weggeschmissen werden. Was auch wieder einfach traurig ist, denn es gibt so viele Leute, die sich über Essen freuen würden. Auch sind wir super dankbar, dass die Lieferer und Verkäufer so Rücksicht auf uns Schausteller genommen haben – besonders möchte ich mich deshalb bei der Firma Fugo-Tec GmbH bedanken. Sie haben uns in letzter Sekunde einige Lagerhallen und Büroflächen gratis zur Verfügung gestellt, mit Wasseranschluss für die Lebensmittel. Das war eine große Hilfe für uns. Wie es mit den Coronahilfen aussieht, ist die nächste große Frage. Denn letztes Jahr wurde der Weihnachtsmarkt ja vom Bund abgesagt und dann bekamen wir die Hilfen vom Bund. Ich kann von vielen Kollegen sagen, dass sie bis heute noch kein Geld bekommen haben.  Wir haben dieses Jahr Novemberhilfe bekommen, die uns leider gar nichts bringt, da wir dort bereits gearbeitet haben. Von der Dezemberhilfe konnten wir uns eine Zeit lang über Wasser halten. Aber wir würden gerne einfach unseren Job machen und so unser Geld verdienen. Die Hilfen gehen ja auch mit der Zeit aus. In meiner Firma zum Beispiel würden auch um die 2000 Euro für Lagerhallen und das Büro weggehen. Klar ist man ja auch nicht faul und macht nichts, aber auch wenn man dann noch mit einem LKW rumfährt, reicht das Geld einfach nicht für alles aus. Wir wollten dieses Jahr endlich wieder den Familien eine Freude machen und Kinderaugen strahlen sehen. Gerade in dieser Zeit wäre es eine gute Möglichkeit gewesen, dem Alltagsstress zu entkommen.“