"Gendern“: Diskriminierungsfreie Kommunikation oder Verkomplizierung der Sprache?

Pro / Contra Debatte

Ist geschlechtergerechte Sprache in der Gesellschaft essenziell oder zweitrangig? Das ist die zentrale Frage, mit der sich die Pro/Contra Debatte von TRENDYone in diesem Monat beschäftigt hat. Wir zeigen Pro und Contra Meinungen auf

PRO: Ist geschlechtergerechte Sprache in der Gesellschaft essenziell oder zweitrangig? 

In der andauernden Diskussion um Gendersternchen, Unterstriche & Co. bezeichnen Kritiker das „Gendern“ als Zumutung im sprachlichen Alltagsgebrauch. Es wird als Idee von Gerechtigkeit gesehen, die Sprache zu optimieren. Doch ist die Sprache wirklich ein Instrument zur Verbesserung unseres Denkens?

Viele setzen in der Alltagssprache auf Effizienz und Kürze. Doch bei geschlechtergerechter Sprache wird durch die gesprochene Pause der Satz zerrissen und verkompliziert das natürliche Sprechen. Das Binnen-I oder die sogenannten Gendersternchen mindern die Lesbarkeit von Texten und stören dabei die Aufmerksamkeit der Leser. 

Die Sprachlogik ist hierbei ebenfalls ein sehr wichtiger Punkt, denn in der deutschen Sprache gibt es bereits eine Form, um alle Menschen anzusprechen. Es wird zwischen dem grammatischen Geschlecht Genus und dem biologischen Geschlecht Sexus unterschieden. Demnach steht als „generisches Maskulinum“ die männliche Form auch für Begriffe, die Männliches und Weibliches zugleich umfasst. Umgekehrt gibt es auch das generische Femininum. Es wird häufig bei Bezeichnung für Tiere verwendet. Deshalb stellt sich für viele die Frage: Warum bereits existierende Sprachregeln ignorieren und neue, kompliziertere einführen?

Gerade bei der älteren Generation sind die Bestrebungen der Aktivisten nicht nachvollziehbar und schwierig umzusetzen. „Gendern“ wird des Öfteren auch als Elitethema bezeichnet, da sich meist Student*innen dafür einsetzen und für die Veränderung kämpfen. Das queerfeministische Anliegen, auf ganz einfache Art und Weise die Realität durch Sprache „umzuformen“, ist für viele schwer verständlich. Die Sprache im Sinne einer höheren Gerechtigkeit zu verändern ist sehr kompliziert, denn es handelt sich dabei um etwas Archaisches, das nicht darüber entscheidet, uns „gut“ oder „schlecht“ zu behandeln.

Sozialpsychologin Sabine Sczesny äußerte sich in Bezug auf die Wichtigkeit geschlechtergerechte Sprache wie folgt: „In einer Studie wurden deutschen und belgischen Kindern im Alter von acht und neun Jahren verschiedene Listen mit Berufen vorgelegt. Wenn die Bezeichnungen sowohl männlich als auch weiblich waren, interessierten sich mehr Mädchen für männlich typisierte Berufe wie bei der Polizei und trauten Frauen in diesen Berufen mehr Erfolg zu. Langfristig kann sich die Sprache so auf die Gesellschaft auswirken.“

CONTRA: Ist geschlechtergerechte Sprache in der Gesellschaft essenziell oder zweitrangig? 

Die Debatten um das Thema „geschlechtergerechte Sprache“ werden teilweise sehr emotional geführt und sind noch längst nicht zu Ende. In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahlreiche Versuche unternommen, die deutsche Sprache dahingehend zu verändern, dass alle Menschen gesehen und respektiert werden. Doch ist das der beste Weg inklusiver und diskriminierungsfreier zu sprechen?

Bei der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit spielt die Sprache eine sehr wichtige Rolle. Durch sprachliche Veränderungen kann in Zukunft auf Minderheiten in der Gesellschaft Rücksicht genommen und Toleranz gezeigt werden. Das bewusste nicht Benennen und nicht Mitdenken, ist eine Form von Diskriminierung und Ausschluss. Dabei geht es über die schlichte Benennung von Frauen und Männern hinaus und soll auch Trans*- und Inter- sowie nicht-binäre Personen ansprechen.  Durch Gendersternchen und Co. kann so mit kleinen Schritten etwas Großes bewirkt werden. 

Kritiker argumentieren meist mit dem „generischen Maskulinum“ in Diskussionen, doch Studien sprechen dagegen. Nicht alle Menschen fühlen sich von dieser Form angesprochen, weil es oftmals mit männlichen Personen assoziiert wird. In der Sprachregel, wonach Frauen „mitgemeint“ sind, werden Frauen benachteiligt. Denn maskuline Bezeichnungen lassen die meisten Menschen an Männergruppen denken, egal ob es sich um stereotyp männliche, neutrale oder weibliche Tätigkeiten handelt. Sprache formt unsere Wirklichkeit und lenkt demnach die Wahrnehmung. Eine bestimmte Sicht der Dinge kann dadurch verstärkt oder abgeschwächt werden. Oftmals trauen junge Mädchen sich eher typisch männliche Berufe zu, wenn diese ihnen ebenfalls in weiblicher Form vermittelt werden. Gender-Freunde fühlen sich daher verpflichtet, Sprache so zu verändern, dass Chancengleichheit nicht verhindert wird. 

Non-Binäre Menschen, die sich nicht in das herkömmliche, streng zweigeteilte Geschlechtersystem einordnen können oder wollen, werden oft genug unsichtbar gemacht. Die Gesellschaft verändert sich und die vielen verschiedenen Lebensrealitäten und Erfahrungen ebenfalls, deshalb sollten die Menschen mit der Zeit gehen und sich den Staub von den Schultern klopfen und es einfach mal ausprobieren. Es reicht nicht mehr aus einfach nur „mitgemeint“ zu sein. Der Satz „Das haben wir aber schon immer so gemacht!“ fällt sehr oft im Zusammenhang mit dem Thema „Gendern“. Doch die Veränderung ist nicht gravierend. Wenn bewusst mit der Sprache umgegangen wird, entstehen gar keine Probleme mit der Art der Ausdrucksweise.

In dem Gastbeitrag „Gendern macht die Diskriminierung nur noch schlimmer“, der Schriftstellerin Dr. Nele Pollatschek beschreibt sie folgendes: „Der einzige Weg heraus aus dem sprachlichen Dauerfrausein ist das Ausland, für mich war es Großbritannien. Denn der britische Feminismus hat auf das Problem der weiblichen Berufsbezeichnung das Gegenextrem gewählt. Der englische Gedanke ist schlichtweg dieser: Der Weg zu Gleichheit ist Gleichheit. Wer will, dass Männer und Frauen gleichbehandelt werden, der muss sie gleichbehandeln und das heißt, sie gleich zu benennen.