Chevron-Doktrin gekippt: US-Supreme Court beschneidet Befugnisse der Bundesbehörden
Der Oberste Gerichtshof der USA hat am Freitag die Befugnisse der Bundesbehörden eingeschränkt und damit eine seit 40 Jahren geltende Rechtsprechung, die sogenannte Chevron-Doktrin, gekippt. "Chevron wird annulliert", erklärte der Vorsitzende Richter John Roberts im Namen des mehrheitlich konservativen Lagers im Supreme Court mit Blick auf die Doktrin, die Regierungsbehörden in ihrem Zuständigkeitsbereich - etwa bei Umwelt oder Verbraucherschutz - das letzte Wort gab.
Die Rechtsprechung von 1984 verpflichtete die Bundesgerichte, bei nicht eindeutigen Gesetzeslagen der "vernünftigen" Auslegung der Behörden zu folgen. Kritiker der Chevron-Doktrin hatten argumentiert, dass die Auslegung von Gesetzen Aufgabe der Justiz sei und nicht der Bundesbehörden.
"Die Gerichte müssen ihr unabhängiges Urteilsvermögen einsetzen, um zu entscheiden, ob eine Behörde im Einklang mit der ihr vom Gesetz verliehenen Autorität gehandelt hat, und dürfen sich nicht auf die Auslegung des Gesetzes durch die Behörde verlassen, nur weil dieses unklar ist", erklärte Roberts.
Die liberale Richterin Elena Kagan brachte ihre Ablehnung der Entscheidung zum Ausdruck. Die Chevron-Doktrin sei zu "einer Säule der modernen Regierung geworden und unterstützt Regulierungsbemühungen aller Art, die sich - um nur einige zu nennen - auf die Reinheit von Luft und Wasser, die Sicherheit von Lebensmitteln und Medikamenten und die Ehrlichkeit der Finanzmärkte beziehen", erklärte sie.
Der Kongress wisse, dass er keine "vollkommen erschöpfenden" Gesetze entwerfen könne. Die konservative Richter-Mehrheit habe nun die Beschneidung der Befugnisse der Behörden beschlossen, obwohl der Kongress Hinweise "in die entgegengesetzte Richtung" gegeben habe, erklärte Kagan.
Das konservative Lager stellt am Supreme Court eine klare Mehrheit von sechs der neun Richter.
Paradoxerweise wurde die Doktrin, als sie 1984 verabschiedet wurde, als Erfolg für die Regierung des damaligen republikanischen Präsidenten Ronald Reagan verbucht, der liberalen Richtern vorgeworfen hatte, Unternehmen unter exorbitanten Regulierungen zu belasten.
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