Ein Abend mit Leonard Cohen – oder fast Field Commander C verzaubert Neu-Ulm mit einer Hommage an den großen Poeten
Emotionen pur!
Es ist Freitagabend, und das Edwin-Scharff-Haus in Neu-Ulm füllt sich langsam mit Besuchern. Ein überwiegend älteres, kulturinteressiertes Publikum findet sich ein. Die Vorfreude liegt spürbar in der Luft – denn auch wenn Leonard Cohen selbst nicht mehr auf der Bühne stehen kann, ist die Hoffnung groß, ihm wenigstens ein Stück näher zu kommen. Cohen verstarb 2016 im Alter von 82 Jahren. Doch sein Erbe lebt weiter, und Bands wie Field Commander C haben es sich zur Aufgabe gemacht, seine Musik und seine Botschaft am Leben zu erhalten.
Leonard Cohen, geboren 1934 in Montreal, war nicht nur Musiker, sondern auch Poet, Romancier und Denker. Seine Karriere begann er als Schriftsteller, doch erst mit der Musik fand er den Zugang zu einer größeren Öffentlichkeit.
Cohen war der Freien Liebe und den Drogen verfallen und versuchte sich als Schriftsteller auf der griechischen Insel Hydra – allerdings mit wenig Erfolg. Der Sänger von Field Commander C erzählt schmunzelnd, wie er sich vorstellt, dass Cohen seiner Mutter eröffnet, er hänge die Schriftstellerei an den Nagel, was sie mit Erleichterung aufnimmt – nur um dann nachzuschieben, dass er stattdessen Musiker in New York werden wollte. Doch zum Glück war das mehr als erfolgreich: Cohen hat Millionen von Menschen berührt und inspiriert, ohne auch nur im Ansatz belehrend zu sein. Seine Musik lebt und begeistert bis heute.
Songs wie Hallelujah, Suzanne, Bird on the Wire und Famous Blue Raincoat machten ihn weltberühmt. Seine markante, tiefe Stimme und seine Texte, die sich mit Liebe, Verlust, Sehnsucht und Spiritualität befassten, verliehen ihm einen beinahe mystischen Status. Cohen war ein Suchender, ein Reisender durch die Untiefen der menschlichen Existenz. Seine Lieder sind voller Melancholie, aber auch von einer tiefen Weisheit geprägt.
Eine Reise durch Cohens musikalisches Erbe
Aber mal ehrlich: Tribute-Konzerte sind immer ein zweischneidiges Schwert. Auch für die Musiker: Einerseits will man dem Original möglichst treu bleiben, andererseits möchte man es nicht einfach nur kopieren, sondern mit eigener Hingabe und Interpretation bereichern. Viele Puristen tun sich schwer mit Coverbands – schließlich kann das Original nicht ersetzt werden. Auch wir waren am Anfang skeptisch. Doch wenn es eine Band schafft, die Essenz eines Künstlers einzufangen und sein Werk mit Liebe und Respekt darzubieten, dann kann daraus ein magischer Abend entstehen. Und genau das gelingt Field Commander C in Neu-Ulm.
Im Mittelpunkt des Abends steht die charismatische Stimme des Sängers von Field Commander C. Er verkörpert Cohens tiefe, raue Melancholie mit großer Würde, ohne ihn zu imitieren. Begleitet wird er von exzellenten Musikern. Besonders hervorzuheben sind die Backing Vocals, die an die legendären Chorsätze aus Cohens späteren Touren erinnern – eine Mischung aus zarter Melancholie und spiritueller Erhabenheit. Sie glänzen mit ihren Stimmen so, dass sie dem Frontmann an manchen Stellen fast die Show stehlen.
Von der ersten Note an gelingt es Field Commander C, die Magie Cohens einzufangen. Die Band nutzt die hervorragende Akustik des Saals und nimmt das Publikum mit auf eine Reise durch Cohens musikalisches Universum. Die Setlist ist eine liebevolle Mischung aus Klassikern und weniger bekannten Stücken. Suzanneentfaltet mit seiner poetischen Schönheit sofort eine magische Atmosphäre, während Bird on the Wire tief in die Seelen der Zuhörer dringt.
Was diesen Abend besonders macht, ist nicht nur die Musik, sondern auch die Geschichten dahinter. Der Sänger von Field Commander C teilt Anekdoten und persönliche Reflexionen. So erzählt er, dass Cohen selbst nie ganz glücklich mit dem Text von Famous Blue Raincoat war – eine überraschende Offenbarung für viele Fans. „Ich würde ihm so gerne sagen, wie schön dieser Song ist“, meint der Sänger nachdenklich. „Eigentlich ist es einer der schönsten, die er je geschrieben hat.“
Mit Chelsea Hotel No. 2 kommt eine Prise Ironie ins Spiel – der Sänger erzählt die legendäre Geschichte von Cohens Liebesnacht mit Janis Joplin, die eigentlich auf der Suche nach Kris Kristofferson war. Das Publikum schmunzelt. Und überhaupt ist die Stimmung im Saal grandios. Trotz der überwiegend ruhigeren Klänge. Wo es geht wird mitgesungen oder gesummt, geklatscht und gefühlt.
Und man hört an diesem Abend nicht nur die großen Klassiker, sondern entdeckt auch verborgene Schätze der Musikgeschichte. So etwa einen Song, den Cohen selbst nie veröffentlicht hat, aber mitschrieb – „Song of Bernadette“ bekannt geworden durch Jennifer Warnes.
Ein Höhepunkt ist definitiv Dance Me to the End of Love. Ein Song, der oft als romantische Ballade missverstanden wird, tatsächlich aber eine tieftragische Geschichte erzählt. Cohen ließ sich von Berichten inspirieren, dass in Konzentrationslagern während des Zweiten Weltkriegs Musiker gezwungen wurden, für ihre Mithäftlinge zu spielen – bis zu deren Tod. Eine grausame Ironie: Musik als Begleitung des Unausweichlichen.
Eigentlich hatte er das Stück aus dem Programm genommen, doch gerade jetzt, in einer Zeit, in der wieder Krieg und Hass auf der Welt entflammen, trifft dieser Song mitten ins Herz. Nie wieder ist jetzt! Die Stille nach dem letzten Ton ist fast greifbar, und das Publikum spürt, dass es sich in diesem Moment einig ist: Für einen Abend haben wir Frieden und ein Miteinander gefunden. Wir waren gemeinsam in den 70ern und wären gerne noch länger geblieben.
Ein würdiger Abschluss
Doch jeder Abend muss einmal enden – und wie er endet! Als letzte Zugabe erklingt schließlich Hallelujah – ein Song, der so oft interpretiert wurde, dass man kaum glaubt, er könnte noch einmal berühren. Doch Field Commander C schafft es. Das Publikum ist ergriffen, manche summen leise mit, andere schließen die Augen und lassen sich einfach tragen.
Mit tiefen, schönen und berührenden Momenten verabschiedet sich Field Commander C aus Neu-Ulm – und hinterlässt ein Publikum, das sich schon freut, nächstes Jahr erneut mit auf diese Reise gehen zu dürfen. Vielleicht dann in der Pauluskirche, noch intimer, noch eindringlicher. Wir freuen uns darauf.