Eine ganze Welt auf Papier: Warum wir Kinder mit Büchern begeistern sollten

Lesefreude sinkt bei Kindern

Eigenes Smartphone beiseite, Buch in die Hand. Fertig. Kinder lernen von uns Großen. Wir sind ihre Vorbilder. Es gibt eine nette Karikatur dazu: Auf dem Bild sitzen zwei Mütter mit ihren zwei Kindern auf einer Bank. Die eine Mama ließt ein Buch. Ihr Kind ebenfalls. Das andere Kind schaut gebeugt auf sein Smartphone. Die Mutter des Kindes mit dem Handy fragt, wie die Lesende es schafft, ihr Kind für das Lesen zu begeistern. Der Clou: Sie fragt dies mit dem eigenen Smartphone in der Hand. Wenn wir unsere Kinder für Bücher begeistern möchten, dann lassen wir uns am besten selbst beim Lesen erwischen – ganz old school analog auf Papier. 

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Bild: stock.adobe
Also los - halten wir selbst das Buch in der Hand und wirken dem Smartphone-Buckel entgegen. Richten wir unseren vom Display geplagten Nacken auf in den Himmel und jauchzen dem Leben entgegen! Mit einem guten Buch in der Hand. Kommen Sie mit und lassen sich beim Bücherlesen ertappen!

Warum sind Bücher wichtig für Kinder?
Fangen wir mit dem romantischen Aspekt an: Miteinander lesen bedeutet Zweisamkeit. Zeit, die gemeinsam mit dem eigenen Kind erlebt werden darf, um im hiesigen Kinderzimmer eine völlig neue Welt zu entdecken. Dies stärkt auf wunderbare Art die Eltern-Kind-Bindung. Beim Lesen lernt das Kind eine andere Sprache als die, die es im gesprochenen Alltag kennt. Dies fördert die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit und gehört somit zu den Schlüsselkompetenzen für eine erfolgreiche Berufs- und Bildungslaufbahn. Die Förderung von Sprachkompetenz im Vorschulalter wird als besonders Erfolg versprechend angesehen und steht deshalb in Bildungsprogrammen sämtlicher Bundesländer an prominenter Stelle.

Weiter: Was wären wir ohne unsere Fantasie? Regnet es bei Ihnen auch gerade recyceltes Konfetti vom Himmel? Regelmäßiges (Vor)Lesen fördert die Vorstellungskraft und regt die Fantasie an. Um sich Geschichten und Charaktere aus Büchern besser vorstellen zu können, wandeln unsere Kleinsten die gelesenen Worte im Kopf in Bilder um. Das Kind kann dadurch eine kunterbunte und grenzenlose Vorstellungswelt entwickeln. Dabei entstehen häufig neue Ideen und Denkansätze. Diese Kreativität und Ideenvielfalt bereichert später auch im Erwachsenenalter: Eine gute Konzeptentwicklung und Projektarbeit basieren auf dem Fundament der kreativen Entwicklung und grenzenloser Vorstellungskraft. 

Noch was? Wir fangen erst an, wie episch Bücher sind: Beim Lesen müssen Kinder für eine längere Zeit aufmerksam sein, um den Geschichten folgen zu können und sie im Ganzen zu verstehen. Dabei sollten sie sich nicht durch andere Medien oder Personen ablenken lassen. Dies trainiert die Konzentrationsfähigkeit des Kindes: Eine gesteigerte Konzentration, die im Kindesalter angeeignet wurde, kann beim Lernen in der Schule von Vorteil sein, um Hausaufgaben und Arbeiten konzentriert und fokussiert zu bearbeiten. 

Außerdem erlangen Kinder durch das Lesen von Büchern kontinuierlich neues Wissen und können so ihren Horizont erweitern. Sie lernen neue Welten, Lebensweisen, Ansichten und Gewohnheiten kennen und entwickeln Neugierde auf eine Vielzahl an verschiedenen Themen. All diese Informationen steigern die Intelligenz unseres Nachwuchses auf unterschiedliche Weise. Denn: Lesen regt das Gehirn dazu an, ständig neue Synapsen zu bilden und neu zu verknüpfen. Somit fällt es Kindern leichter, Zusammenhänge in Texten zu verstehen. Darüber hinaus trägt die verbesserte Vernetzung des Gehirns dazu bei, Aufgaben und Fragestellungen leichter zu bewältigen. Kinder, die viel lesen, zeigen aufgrund dieser Fähigkeit oftmals bessere schulische Leistungen – nicht nur in Deutsch oder Sprachen, sondern auch in anderen Fächern wie Mathematik.

Insgesamt unterstützt das (Vor)Lesen Ihr Kind dabei, eigenständig zu denken. Im weiteren Verlauf des Lebens ist Ihr Sonnenschein daher eher dazu fähig, Sachverhalte, Meinungen oder Quellen kritisch zu betrachten und sich ein eigenes Urteil zu bilden - ein wichtiger Grundstein für die Selbstständigkeit Ihres Kindes. Auch im Umgang mit Medien und der damit einhergehenden Fülle an Informationen ist ein ausgeprägtes Urteilsvermögen äußerst vorteilhaft.

Zudem kommen unsere Sprösslinge beim Lesen mit vielen neuen Begriffen in Kontakt. Je öfter diese Ausdrücke ihnen beim (Vor)Lesen begegnen, desto eher prägen sich neue Wörter ein. Der Wortschatz wächst somit beachtlich. 

Nun denn, wir holen noch einmal Luft zum Endspurt. Aber auch bis hier ist bereits deutlich geworden, wie grandios Bücher sind. Denn das Lesen hilft auch beim Schreiben lernen, da schau her. Kinder prägen sich die Rechtschreibung und Zeichensetzung ein und können das erlangte Wissen weiter anwenden. 

Zu guter Letzt schließen wir wieder mit der sozialen Komponente: Kinder, denen vorgelesen wird, erleben das herrliche Gefühl einen Erwachsenen für diesen Moment nur für sich genießen zu dürfen und mit ihm eine neue Welt mental zu bereisen. Sie spüren dadurch, dass sie wertvoll sind. Denn der Erwachsene gibt etwas von seiner Zeit ab, nur um diesen Vorlese-Moment zu schenken.

In welchem Alter beginnen Sie mit Büchern am besten?
Das Erlebnis Buch können Sie fördern, sobald Ihr Kind greifen kann. Es gibt bereits im Babyalter eine hübsche Auswahl an Fühlbüchern, unkaputtbaren Büchern und Fingerpuppen-Büchern. Wächst Ihr Kleinstes von Anfang an mit Büchern auf, so wird es wahrscheinlicher, dass es im Kleinkindalter Bücher als unverzichtbares Element in seinem Kinderzimmer und seiner Welt ansieht. Übrigens: Experten empfehlen den Beginn der Leseförderung mit dem Kleinkindalter. Dabei geht es nicht um striktes Vorlesen, sondern auch um das freie Erzählen mit Bilderbüchern. Je nach Altersempfehlung kommen Sätze hinzu, die länger und anspruchsvoller werden.

Leseentwicklung in Deutschland
Wir senken den Kopf, denn laut einer Pisa-Studie sieht es mau aus in den Bücherregalen der Kinder. Die Ergebnisse im Bereich der Lesekompetenz bei Kindern sind alarmierend und führen dazu, dass die Leseförderung wieder mehr Beachtung und Notwendigkeit bekommt. Fast zehn Prozent der befragten Schüler mangelt es an jeglichem Textverständnis, weitere 13 Prozent schaffen es nur, elementarste Textinhalte zu begreifen, sind aber mit einer Bewertung des Gelesenen gänzlich überfordert. Besonders traurig: 42 Prozent der Jugendlichen beantworten die Frage, ob sie zum Vergnügen lesen, mit Nein. Es wird nicht besser - in der Gesamtbevölkerung hat die tägliche Buchlektüre um mehr als 50 Prozent abgenommen. Die Zahl derjenigen, die „nie“ lesen, stieg seit 1992 um 40 Prozent. Grund genug, um die Ärmel hochzukrempeln, die Fingerspitzen anzufeuchten und los zu blättern. Nehmen Sie uns ruhig beim Wort.

Buch vs. Bildschirm
Das Flackern der Displays lässt die apathisch blickenden Gesichter der Kinder fast geisterhaft wirken. Die Augen sind müde, aber ruhelos. Lesen ist anstrengend. Bücher sind out. Wir übertreiben? Nur ein klein wenig. Kindern fällt es oftmals wesentlich leichter, sich vom Bildschirm mit Bildern versorgen zu lassen, statt sich diese durch das Erlesen eines Buches zu „erarbeiten“. Das Lesen eines Buches wird dadurch nicht mehr als Abenteuer angesehen, sondern als zu bewältigende Aufgabe. Klar: Eine gewisse Bildschirmzeit geht in Ordnung. Nicht nachdenken zu müssen und sich von den flirrenden Bildern treiben zu lassen ist nicht nur für uns Erwachsene verlockend. Doch es liegt in der Verantwortung von uns Großen den Kleinen beizubringen, dass in einem Buch eine ganze Welt versteckt liegt, die für jeden anders aussehen kann. Zeigen wir unseren Kindern, wie schön und aufregend ein Buch ist! Möchten wir Bildschirm-Zombies großziehen, die sich stummschalten oder wissbegierige Kinder, die aufmerksam und ausgeglichen sind? Die ungefilterte Fülle an medialen Informationen kann hilflos überfordern – vor allen die kindlichen Nervenzellen sind für so viele Bildschirmmöglichkeiten nicht ausgerichtet. Ein Buch bietet einen wunderbaren, sicheren Rahmen, in dem sich unser Nachwuchs mühelos bewegen kann. Erwarten Sie nicht, dass Ihr Kind einfach so zum Buch greift, wenn Sie den halben Tag vor dem Smartphone verbringen. Leben Sie es vor! In dieser Welt, nicht in der Digitalen. Ein Bildschirm ist abstrakt - auf seiner Oberfläche lassen sich unendliche Informationen abrufen, die ungefiltert auf das Gehirn einprasseln. Wir haben nicht gelernt, mit dieser Fülle umzugehen. 

Das Buch kann sich – im Gegensatz zu den meisten anderen Medien – dem Kind anpassen. Anders als beispielsweise beim Fernsehen wird hier kein Tempo für die Verarbeitung von Geschichte und Bild vorgegeben. Zudem bietet analoge Papierlektüre Raum für den Austausch: Das Kind kann dem Vorlesenden Fragen stellen, es kann zurück blättern oder zu einem bestimmten Aspekt seine Meinung äußern. Gemeinsam kann über die Tiere in den Bildern gesprochen werden oder leicht ins Gespräch über die abgebildeten Situationen kommen. Während an PC und TV die Geschichte weiter läuft, kann am Buch inne gehalten werden. Unsere Sprösslinge können sich die Zeit nehmen, die sie benötigen. 

Kinder lernen am Beispiel des Buches, dass sie sich durch (Vor)Lesen eine Auszeit nehmen können. Diese Fähigkeit wird in unserer hektischen Zeit, in der unzählige Reize auf die Kinder einströmen, immer wichtiger. 

Wie begeistern wir Kinder für Bücher?

1. Lassen Sie sich beim Lesen erwischen! Wir sind die Vorbilder! Wir geben den Anfangstakt vor. 

2. Gehen Sie auf die Interessen Ihres Kindes ein und besorgen die entsprechende Lektüre, die die Vorlieben Ihres Nachwuchses thematisiert.

3. Machen Sie Lesen zum Erlebnis. Somit zeigen Sie, dass Lesen Vergnügen und keine Aufgabe ist. Trinken sie gemeinsam Tee oder Naschen etwas Leckeres. Ist es ein Vorlesen vor dem Schlafen, machen Sie es sich gemeinsam gemütlich und sorgen für eine liebevolle Atmosphäre.

4. Zeigen Sie ihrem Kind, dass ein Buch ein Rückzugsort sein kann, wenn es sich überreizt fühlt. Entweder geben Sie ihm Zeit zum Lesen oder nehmen sich Zeit zum Vorlesen.

5. Reden Sie viel mit Ihrem Kind! Damit ein Kind ein guter und begeisterter Leser werden kann, sollte es zunächst lernen, ein guter Gesprächspartner zu sein. Das gilt natürlich nicht nur für die Förderung der Leselust. Gegenseitiger Austausch ist von immens hoher Bedeutung für die Entwicklung eines Kindes. 

6. Lassen Sie das Lieblingskuscheltier ein Buch vorlesen. 

7. Schwärmen Sie! Von Ihren eigenen Büchern, einer Zeitschrift – ganz egal. Ihre Euphorie wird sich auf Ihr Kind übertragen.

8. Klar: Nicht jedes Vorlesen kann ein Entertainmentprogramm beinhalten. Aber Sie können zum Beispiel eine Lesenacht veranstalten. Nehmen Sie sich abends Zeit, um lange und ausgiebig vorzulesen. Gestalten Sie die Umgebung mit kleinen Accessoires, wie Brillen, die die Kuscheltiere aufhaben oder ähnlichem. Ihrer eigenen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. 

9. Leseabende mit Nachbarskindern oder Freunden sind ebenfalls eine wunderbare Gelegenheit, dass Buch wieder an den Platz zu rücken, an den es hingehört: In den Vordergrund. Tipp: Lesen am Lagerfeuer – kaum zu toppen.

10. Gehen Sie mit Ihrem Kind in die Bücherei – dort wird es auf andere, lesebegeisterte Kinder treffen. Außerdem: Es darf nach Herzenslust geblättert und geschmökert werden. Herrlich!

FAZIT:
Bücher bringen unsere Kinder zum Lachen. Zum Weinen und Nachdenken. Und zum Träumen. Sie sind Auszeiten vom reizüberströmten Alltag. Bücher beherbergen fantastische Abenteuer. Sie können trösten, ablenken und fördern das empathische Empfinden. Das (Vor)Lesen fördert Kinder in allen Lebensbereichen und ist gewinnbringend für wichtige Kompetenzen im späteren Leben unserer Sprösslinge. Es gibt nur wenige Einflüsse, die Kinder dermaßen kompakt unterstützen, wie es ein Buch in der Lage ist. Sie passen sich der individuellen Geschwindigkeit der Kleinen an und wecken ihre Kreativität und Neugier. Sie sind eine Welt, die sich sanft auf die kleinen Leser anpasst, ohne sie zu überfluten. Bücher sind buchstäblich Wegbegleiter, die verzaubern. Seien Sie Vorbild für Ihr Kind und lesen Sie. Und lassen Sie sich erwischen! | Text: Stefanie Steinbach

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