Faszination Vespa Tuning: Das Beste aus dem Kultroller herausholen

„Auto des kleinen Mannes“

Sie ist bereits über 75 Jahre alt, doch die Vespa hat auch heutzutage nichts von ihrem Charme verloren. Ganz im Gegenteil: Der Kultroller erfährt einen neuen Boom – unter anderem auch in der Tuning-Szene. Doch woher kommt der Hype um die Vespa? Und was ist hinsichtlich Tuning möglich beziehungsweise sinnvoll und ist das überhaupt legal?

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Bild: stock.adobe
Die Geschichte der Vespa
Für den Beginn der Erfolgsgeschichte muss man einige Jahrzehnte zurückblicken. Relativ bald nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Vespa 1945 in Pontedera in der Toskana von der Firma Piaggio unter der Leitung des Flugzeugingenieurs Corradino D’Ascanio entwickelt –im Hintergrund standen damals vor allem pragmatische Gründe: Die vom Krieg stark gebeutelten Italiener sollten so wieder ein Stück weit Mobilität zu einem geringen Preis zurückbekommen und dadurch zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes beitragen. Umso erstaunlicher angesichts der heutigen Faszination für die Vespa ist der Umstand, dass sie verglichen mit anderen Rollern keinesfalls herausragend war – die Motorleistung hinkte hinterher, die Räder waren sehr klein und auch die Bremsen konnten nicht wirklich mithalten. Allerdings bestach die anfänglich etwa 60 Kilogramm schwere und maximal 60 km/h schnelle Vespa vor allem mit ihrer eleganten Form und ihrem Design. 

Auch für Frauen geeignet
Wer mit „plumpen“, großen Motorrädern oder den technischen Aspekten dahinter wenig anfangen konnte, hatte mit der Vespa plötzlich eine interessante Option. Schließlich war sie nicht nur elegant, sondern bestach durch eher einfach gehaltene Technik, wodurch der Verbrauch gering und die Zuverlässigkeit hoch waren. Des Weiteren bot die Firma den Roller nicht nur relativ günstig an, sondern hatte sich auch ein ganz besonderes Paket überlegt. Dazu gehörte ein Kauf auf Raten, eine einjährige Garantie sowie keine Kosten für Zulassung, Pannenhilfe und eine Diebstahlversicherung. Aufgrund dessen wurde sie auch oft als „Auto des kleinen Mannes“ bezeichnet, wenngleich ein weiterer Faktor mit Blick auf die Beliebtheit unbedingt erwähnt werden muss: Die Vespa war nämlich auch für Frauen interessant, da sie den Roller wegen des Durchstiegs auch mit einem Rock oder Kleid ohne Probleme fahren konnten. Zudem war die Kleidung durch die Karosserie bei Nässe vor Spritzwasser geschützt. Da es keine wirkliche Helmpflicht gab, wurde auch die eigene Frisur nicht in Mitleidenschaft gezogen.

Wunsch nach Freiheit und Unbeschwertheit
Der endgültige Durchbruch kam vermutlich durch den Film „Ein Herz und eine Krone“ mit Audrey Hepburn 1953, die darin gemeinsam mit Gregory Peck auf einer Vespa durch Rom sauste. Dieses Gefühl von Spaß und Unbeschwertheit wollten sich daraufhin viele sichern – und schon war der Mythos Vespa geboren. Es entwickelten sich ganze Vespa Clubs, während Jugendliche etwa in England mit dem Kultroller ihren Lebensstil deutlich machen wollten oder ganze Familien die Geschichten und Erinnerungen an ihre Erlebnisse mit einer Vespa über Generationen hinweg weitergaben. Weil diese oft von der Unbekümmertheit früherer Zeiten handeln, drücken Vespa-Fahrer heutzutage damit meist ganz bewusst den Wunsch nach einem freien (italienischen) Lebensgefühl, nach Entschleunigung und Genuss sowie nach Geselligkeit und einem Leben ohne Sorgen aus. Weil Piaggio über die Jahre hinweg lediglich kleine Änderungen vornahm, war und ist die Wiedererkennbarkeit stets gegeben. Im Gegensatz zu manch anderen Rollern besticht die Vespa auch heute noch mit ihrem eleganten Design, weshalb sie sich momentan auch so gut verkauft wie lange nicht.

Gab es auch ähnliche Marken?
Natürlich war die Vespa nicht der einzige beliebte Roller zu dieser Zeit. Ebenfalls nach dem Ende des Krieges entwickelte etwa der Ingenieur Pierluigi Torre für den Firmeninhaber Ferdinando Innocenti Konstruktionszeichnungen für einen Roller, der ebenfalls preiswert zu haben sein sollte. In Anlehnung an den Mailänder Ortsteil Lambrate und den Fluss Lambro in der Nähe der Fabrik wurde der Roller auf den Namen „Lambretta“ getauft und 1947 veröffentlicht. Auch dieses Modell eroberte die Straßen und wurde in technischer und optischer Hinsicht immer weiter verbessert – selbst die englische Post nutzte Lambrettas für ihre Lieferungen. Zudem waren sie die ersten Roller mit einer E-Zündung sowie die ersten Zweiräder mit einer serienmäßigen Scheibenbremse. Ansonsten war die Konkurrenz damals eher überschaubar – erwähnenswert sind noch die sowjetische Marke Vyatka, die in den 1950er und 1960er Jahren einen Vespa-Nachbau ohne Lizenz fertigte und vertrieb, sowie der DKW Hobby, der beispielsweise 1955 der meistgekaufte westdeutsche Motorroller war.

Was bedeutet Vespa Tuning?
Tuning leitet sich vom englischen Begriff „to tune“ ab, was so viel wie „abstimmen, in Einklang bringen“ bedeutet. Gemeint sind damit individuelle Modifikationen und Veränderungen an einem Gefährt, beispielsweise am Motor oder auch hinsichtlich der Aerodynamik. Für viele steht dabei eine Verbesserung der Leistung sowie der Fahreigenschaften im Vordergrund, doch auch eine Anpassung der Optik und Akustik ist damit gemeint – wer sein Auto, Motorrad oder Moped tunt, will es also oftmals nicht nur einfach schneller machen, sondern auch weitere Dinge anpassen. Beim Vespa Tuning bezieht sich das alles entsprechend auf die Vespa, die durch Anpassungen besser, schneller oder optisch herausragender gemacht, also getunt wird. Gerade weil Vespas nun mal oftmals aus Nostalgiegründen seit Jahren in den Garagen stehen und allenfalls für kleinere Fahrten aufgrund der sehr alten Motoren sowie der geringen Motorleistung genutzt werden, ist hier Tuning besonders interessant. Durch die Anpassungen werden diese Defizite nämlich ausgeglichen, weshalb sich nach und nach eine Szene mit kundigen Tüftlern entwickelt hat.

Welche Möglichkeiten gibt es beim Vespa Tuning?
Bei einer Vespa gibt es nämlich einige Tuning-Möglichkeiten – beispielsweise im Bereich Fahrwerk. Oftmals werden hier Scheibenbremsen eingebaut, während moderne Stoßdämpfer die Bodenhaftung und damit das komplette Fahrgefühl enorm verbessern können. Relativ häufig wird das Beinschild der Vespa verschmälert, ebenso beliebt sind beim Motor eine Feinabstimmung durch Kurbelwellen, das Aufbohren der Zylinder zur Vergrößerung des Hubraums sowie das Einspritzen von Lachgas oder auch der Einbau von Motoren mit größerem Hubraum. Zudem gibt es im Bereich Elektrik die Möglichkeit, Scheinwerfer mit einer verbesserten Leuchtkraft einzubauen oder die Vespa auf einen Breitreifen umzubauen. 

Welche Teile kann man tunen und was bringt das?
Konkret sollte man beim Tuning einer Vespa mit dem Zylinder anfangen, da das die größten Effekte hat: mehr Hubraum, bessere beziehungsweise größere Kanäle sowie mehr Verdichtung und damit mehr Leistung. Wer dann noch weiter tunen möchte, widmet sich am besten dem Auspuff oder auch gleich der ganzen Auspuffanlage. Dabei gilt: Je unauffälliger der Auspuff, desto geringer die Leistung – hier ist also Abwägen je nach den individuellen Vorlieben gefragt, denn leistungsstarke Tuning-Auspuffe sind dementsprechend sehr laut. Zudem sind nicht alle Varianten legal. Als weitere Möglichkeiten bieten sich schließlich der Luftfilter und der Vergaser an, der durch einen Racing- oder Sportvergaser ersetzt wird. 

Für einen Großteil der Vespa-Fahrer reichen Veränderungen an diesen Komponenten vollkommen aus. Erfahrene Tuner mit entsprechenden Fähigkeiten und einer hohen Fachkenntnis können sich darüber hinaus auch dem Motorgehäuse widmen, doch Anpassungen bringen hier lediglich mehr Leistung bei sehr stark getunten Motoren – dasselbe gilt für die Kurbelwelle. Auch hier sorgt ein Tausch nur bei starkem Tuning für längere Haltbarkeit, allerdings ist der Einbau aufwändig. Wer eine sehr alte Vespa mit einer sogenannten Unterbrecherzündung besitzt, kann auf eine Elektronikzündung umrüsten – das macht in Bezug auf die Leistung zwar keinen enormen Unterschied, sorgt allerdings für eine höhere Zuverlässigkeit.  

Customizing & O-Tuning
Neben diesen leistungssteigernden Maßnahmen können natürlich auch optische Anpassungen an der Vespa vorgenommen werden, beispielsweise durch den Anbau breiterer Reifen, neuer Windschilder sowie mit bestimmten Lackierungen, Verkleidungen oder Folierungen und Gravuren an den Felgen oder im Motorblock. Vespa-Fahrer sprechen dabei von „Customizing“. Ein weiterer wichtiger Begriff ist das sogenannte „O-Tuning“: Das O steht hier für Original – demnach ist damit die die Feinabstimmung von Originalbauteilen an der Vespa gemeint. Zum O-Tuning gehören beispielsweise das Fräsen zusätzlicher Überstromkanäle, das Verbreitern des Auslasses oder das Aufbohren der Spritkanäle im Vergaser.

Ist Vespa Tuning sicher?
Grundsätzlich liegt die größte Gefahr beim Tuning in fehlendem Wissen und mangelnder Erfahrung. Eine wichtige Voraussetzung ist: Man sollte den eigenen Roller erst einmal selbst warten und reparieren können, zudem sollte man ganz genau wissen, welche Auswirkungen eine bestimmte Tuningmaßnahme auf das gesamte Setup hat. Unabdingbar ist daher umfangreiches Wissen über Motorentechnik – im speziellen Fall der Vespa sollte man sich etwa mit dem Zweitaktprinzip gut auskennen. Die komplette Sicherheit ist zwar trotzdem nie zu einhundert Prozent gewährleistet – wer also auf Nummer sicher gehen möchte, wendet sich am besten an einen Vespa Club oder eine Fachwerkstatt, in der Experten professionelles Tuning anbieten.

Ist Vespa Tuning legal?
Zunächst einmal führt jegliches Tuning an einer Vespa dazu, dass die Betriebserlaubnis erlöscht. Trotz alledem ist es nicht komplett verboten, denn mit den entsprechenden Gutachten für die jeweiligen Tuningkomponenten und einem Leistungsgutachten hat man beim TÜV gute Chancen, dass die Tuningteile in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden. Selbst Tuningbauteile ohne Gutachten können in manchen Fällen durch eine Einzelabnahme eingetragen werden. Allerdings existieren bestimmte Abgasbestimmungen, die wiederum die Eintragung von bestimmten Motor-Tunigbauteilen in Vespa-Rollern mit Erstzulassung ab 1989 erschweren. 

Insgesamt hilft immer ein Blick in die jeweiligen ABE (Allgemeine Bauartgenehmigung Fahrzeugteile) – darin steht, an welchen Fahrzeugen die Teile tatsächlich angebracht werden dürfen. Nach jedem Anbau sollte man mit dem Teilegutachten beim TÜV vorbeischauen, der dann den ordnungsgemäßen Anbau beziehungsweise Einbau prüft und abnimmt. Auch hier gilt: Auf der sicheren Seite ist man, wenn man sich an eine seriöse Werkstatt mit Tuning-erfahrenen Mitarbeitern wendet, die sich auch mit den Besonderheiten und den rechtlichen Regelungen gut auskennen. Denn insbesondere bei der Veränderung der Abgasanlage muss man aufpassen: Dadurch kann nämlich die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug erlöschen, weil sich der Schadstoffausstoß und die Lautstärke ändern können. Hier sollte man sich demnach auf jeden Fall vorab informieren, ob die Änderung für den eigenen Roller erlaubt ist. Ansonsten warten Bußgelder von beispielsweise 50 Euro für das Fahren ohne gültige Betriebserlaubnis, was sich bei einer Beeinträchtigung der Umwelt oder der Verkehrssicherheit auf 90 Euro erhöht und einen Punkt in Flensburg mit sich ziehen kann. Wer die zulässigen Fahrzeugabmessungen nicht einhält, muss ebenfalls mit einem Punkt sowie 60 Euro Strafe rechnen.

Tipps für Anfänger
Wer mit dem Tunen seiner Vespa liebäugelt, sollte sich zunächst einmal ein paar Dinge überlegen: Was will ich damit überhaupt erreichen? Sollen die Änderungen vor allem bessere Leistung bringen oder soll vor allem im optischen Bereich getunt werden? Welchen Stil soll das Gefährt haben? Was ist eigentlich technisch möglich und wie sehr will ich auffallen? Ebenso gilt es natürlich, schon vorher die Genehmigungen vom TÜV einzuholen und alles entsprechend in die Papiere eintragen zu lassen, bevor die Änderungen vorgenommen werden. Wer Inspiration braucht, kann sich im Internet, in Vespa-Clubs oder in einer Fachwerkstatt über die vielfältigen Möglichkeiten informieren. So sind vor allem Vespas im Retro-Stil angesagt, also beispielsweise angelehnt an die eleganten 60er Jahre oder die eher auffälligen 80er Jahre. Auch auf eBay Kleinanzeigen gibt es oft günstige Teile wie etwa farbige Sitzbänke zu kaufen, für weitere Teile, die auf technische Verbesserungen abzielen, sind aber auf Vespa-Tuning spezialisierte Shops und Geschäfte die bessere Wahl. Außerdem gilt: Lieber nicht zu viel sparen, denn sonst drohen eventuell hohe Folgekosten oder die Teile gehen schnell kaputt.

FAZIT:
Die Vespa hat selbst 75 Jahre nach ihrer Entstehung nichts von ihrer zeitlosen Anziehungskraft verloren. Der Kultroller drückt auch heutzutage noch das Gefühl von Freiheit, Unbeschwertheit und Unabhängigkeit aus, weshalb viele sich eine Vespa zulegen oder eben ein altes Modell tunen und damit leistungsstärker machen wollen. Dabei sollte man immer erst mit dem Zylinder anfangen, ehe es an weitere Veränderungen geht. Wichtig ist auch, die Anpassungen immer mit dem TÜV abzuklären, um keine Bußgelder zu riskieren. |Text: Vera Mergle

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