Fünf Persönlichkeiten aus dem Allgäu erhalten Bayerischen Verfassungsorden
Ehrung für Allgäuer Bürger
Am Freitag, 24. Juni 2022 ehrte der Bayerische Landtag 44 verdiente Persönlichkeiten mit dem Bayerischen Verfassungsorden 2021. Die Auszeichnung wurde am 1. Dezember 1961 als Bayerische Verfassungsmedaille in Silber und in Gold ins Leben gerufen um Bürgerinnen und Bürger zu ehren, die sich im besonderen Maße aktiv für die Werte der Bayerischen Verfassung engagieren. Der höchste Orden des Bayerischen Landtags wurde im letzten Jahr in „Bayerischer Verfassungsorden“ umbenannt und die Unterscheidung in Silber und Gold aufgegeben. „Es freut mich wirklich sehr, dass fünf der 44 frisch gebackenen Ordensträgerinnen und Ordensträger aus dem Allgäu kommen“, so Landtagsvizepräsident Alexander Hold.
Als Mitbegründer der Westallgäuer Filmproduktion, dem Leo Hiemer Filmverleih und der Leo Hiemer Filmproduktion wird auch der Kaufbeurer Leo Hiemer mit dem Verfassungsorden ausgezeichnet. Als Autor und Regisseur hat er in zahlreichen Filmen das Allgäu, dessen Geschichte und seine Menschen kritisch und gleichzeitig liebevoll beleuchtet. „Für mich ist sein 1985 gedrehter Film „Daheim sterben d’Leut“ immer noch der Allgäuer Kultfilm schlechthin! Wahrscheinlich wäre er aber bundesweit nicht so erfolgreich gewesen, wenn man den Film damals nicht mit deutschen Untertiteln versehen hätte“ schmunzelt Alexander Hold. Hiemer wird jedoch auch für dessen unermüdlichen Einsatz bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte des Allgäus und des Holocaust in der Region ausgezeichnet. Dieser hat sich Leo Hiemer, vor allem in seinem preisgekrönten Spielfilm „Leni…muss fort“, dem Buch „Gabi (1937–1943) – Geboren im Allgäu – Ermordet in Auschwitz“, der Ausstellung „Geliebte Gabi“ und einem Theaterstück über das Schicksal der von den Nationalsozialisten ermordeten Jüdin Gabriele Schwarz aus Hiemers unmittelbarer Heimat verschrieben. „Das ist lebendige Erinnerungskultur wie man sie besser nicht machen kann“ bestätigt Hold.
Die Liebe zur Heimat und ihre Neugier für geschichtliche Zusammenhänge waren auch bei Ingrid Müller aus Altusried der Auslöser, sich intensiver mit dem Allgäu zu beschäftigen. Für ihre Heimatgemeinde Altusried baute sie mit liebevoller Recherche ein privates Heimatkundearchiv bevor sie sich ab 1988 im Ausschuss des Heimatbundes Allgäu und ab 1993 in dessen Vorstand engagierte. Seit 1994 ist sie Kreisheimatpflegerin für das nördliche Oberallgäu und zweite Vorsitzende im Heimatverein Kempten e.V. Es ist Frau Müllers in 40 Jahren intensiver Geschichtsforschung angeeignetes Fachwissen, ihrer Beschäftigung mit Themen der Heimatpflege und ihrer Kenntnis in Denkmalschutzfragen und vor allem auch ihrem Einfühlungsvermögen zu danken, dass zahlreiche historische Gebäude vor dem Abriss gerettet und einer neuen und zeitgemäßen Nutzung zugeführt wurden. „All dies sowie ihr Einsatz für die Geschichte der Heimatvertriebenen machen Frau Müller zu einer würdigen Preisträgerin“ so Hold.
Petra Müller aus Sonthofen-Rieden engagiert sich seit über 30 Jahren für die Faschings- und Karnevalskultur. Sie war zunächst als Kinder- und Jugendtrainerin tätig, ehe sie die eigenständige Jugendleitung im örtlichen sowie im Regionalverband bayerisch-schwäbischer Fastnachtsvereine gründete. Als Verbandsjugendleiterin war sie maßgeblich am Aufbau der Jugendarbeit mit rund 100 Mitgliedsvereinen beteiligt bzw. hat diese, so wie die Faschingsfreunde Hillaria Sonthofen, gegründet. Ohne ihr persönliches Engagement gäbe es den 2009 gegründeten Bund Deutscher Karneval-Jugend mit 700.000 Mitgliedern nicht, dem sie seitdem als Bundesjugendleiterin vorsteht. Seit 2015 ist sie Präsidentin der Närrischen Europäischen Gemeinschaft (NEG). Sie war einige Jahre Hauptpersonalrätin beim Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, engagiert im Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (Fachgruppe Arbeitnehmer). Seit 2002 ist sie Stadträtin in Sonthofen. Sie war dort 12 Jahre Jugendreferentin, ist seit 2014 Kulturreferentin und seit 2020 Fraktionsvorsitzende im Stadttrat der Stadt Sonthofen. Alexander Hold: „Es freut mich sehr, dass Petra Müllers seit Jahrzehnten mit viel Herz und Energie gelebtes ehrenamtliches Engagement, vor allem für die Fastnachts- und Karnevalskultur, aber auch im politischen Ehrenamt nun mit dem Verfassungsorden eine würdige Anerkennung erfährt.“
Nach seinem Wirken als Staatsanwalt und Richter am Amtsgericht Kempten sowie Landgericht Kempten, dessen Vizepräsident er 1996 wurde, prägte Prof. Dr. Karl Thiere von 2002 bis 2013 als Präsident des Landgerichts Memmingen und von 2006 bis 2013 als berufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes die Bayerische Rechtsprechung. Darüber hinaus konnte er seine Überzeugung einer interdisziplinären Zusammenarbeit in seinen 30 Jahren als Lehrbeauftragter an der Hochschule in Kempten erfolgreich an den Nachwuchs weitergeben. „Ich habe Prof. Karl Thiere als außergewöhnlich liebenswürdigen und teamfähigen Kollegen schätzen gelernt,“ würdigt Hold den Preisträger. Besonders hervorzuheben ist zudem sein mehr als 20jähriges Wirken beim Diakonischen Werk, dessen Geschicke er seit 2007 als Mitglied des Verwaltungsrates und von 2015 bis 2019 als dessen Vorsitzender leitete. Ohne seine integrative und ausgleichende Art wäre eine Fusionierung des Diakonievereins Oberallgäu e.V. mit dem Diakonischen Werk Kempten Allgäu e.V. wohl nicht so gut über die Bühne gegangen. „Ehre wem Ehre gebührt und Herrn Prof. Dr. Karl Thiere gebührt die Ehre des Verfassungsordens zu 100 Prozent“ so Hold.
„Abba Naor ist zwar kein Allgäuer. Der 94-Jährige hat jedoch durch seinen unermüdlichen Einsatz gegen das Vergessen auch Menschen in der ganzen Welt und auf meine Einladung hin erst vor kurzem auch bei uns im Allgäu geprägt“ so Hold. Als Überlebender der Shoa, der durch die menschenverachtende Grausamkeit der Nazis seine beiden Brüder als auch die Mutter verlor und selbst unvorstellbares Leid im Kauferinger Außenlager erlebte, ist er in seinem hohen Alter einer der letzten Zeitzeugen für die wohl schwärzesten Jahre unseres Landes. Seit 30 Jahren engagiert er sich für eine Versöhnungskultur, den deutsch-israelischen Austausch und das Gedenken an den Holocaust, nicht zuletzt seit 2017 als Vizepräsident des Comité International de Dachau und als Mitglied des Stiftungsrats der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Abba Naor wurde der Verfassungsorden bereits letztes Jahr verliehen. „Menschen wie Abba Naor, die mit Mut und leidenschaftlicher demokratischer Haltung versuchen, die Welt ein Stückchen besser zu machen, sind wohl die würdigsten Träger des Bayerischen Verfassungsordens, die es überhaupt geben kann“ so Alexander Hold abschließend.