Local Hero: Selina Jörg Deutsche Snowboard Weltmeisterin

"Wintersportler werden im Sommer gemacht"

Sie ist eines der Aushängeschilder des Deutschen Snowboardsports. Vor 29 Jahren stand die damals 3-jährige Selina Jörg erstmals auf ihren Ski und kurze Zeit später auch mit beiden Beinen auf dem Board. Im Interview mit TRENDYone spricht die sympathische Allgäuerin über ihre Karriere und die Rolle der Snowboarder im Wintersport - gerade in Zeiten von Corona.

TRENDYone: Wann stellte sich Dir das erste Mal die Frage „Ski oder Snowboard“?

Selina Jörg: Die Begeisterung für den Wintersport hat bei mir schon in den jungen Jahren angefangen. Das lag daran, dass wir im Allgäu wohnen und meine Eltern schon immer begeisterte Skifahrer sind. Eine Skischule gab es schon, unsere Eltern haben uns das aber selbst beigebracht. Mit drei Jahren stand ich das erste Mal auf den Ski bis meine ältere Schwester dann mit dem Snowboarden anfing. Ich wollte es ihr unbedingt nachmachen. Mit 10 Jahren habe ich mich dann endgültig für das Board entschieden. Auch das habe ich mir dann selbst beigebracht, was am Anfang schon einige Misserfolge und vor allem Wutausbrüche mit sich brachte. Aber zum Glück bin ich drangeblieben (lacht).

Bist Du hauptberuflich Sportlerin?

Ich bin Profi-Sportlerin und seit 2007 gleichzeitig Mitglied in der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Sonthofen. Somit hatte ich das große Privileg den Sport zu meinem Beruf machen zu können und so ist mein Trainingsplan auch mein Dienstplan. Dennoch habe ich neben dem Sport noch mein Masterstudium in Wirtschaftspsychologie abschließen können. Für mich war es wichtig zu studieren, um neben dem Sport auch einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Natürlich geht es da auch um die Zukunft, die nach dem Karriereende liegt. Bisher kann ich in diesem Bereich noch nicht fest arbeiten, da das Lebens eines Profisportlers fast 365 Tage im Jahr stattfindet. Im Sommer bereite ich mich auf die Wintersaison vor. Man sagt immer:  Wintersportler werden im Sommer gemacht. 

Welche Deiner Erfolgsmomente garantieren selbst heute noch Gänsehautmomente?

Der Moment, als es bei meiner dritten Olympiateilnahme 2018 endlich zu einer Medaille bei einem Großereignis gereicht hat. Davor musste ich mich mit vierten Plätzen bei Weltmeisterschaften und Olympia zufriedengeben. . Bei Olympia auf dem Podium zu stehen und die Medaille, um den Hals zu tragen ist das Non plus-ultra für jeden Sportler. 

Wie sehen Deine Pläne für die Zeit nach dem Karriereende aus?

Es gibt viele kleine Pläne aber wirklich konkretisiert habe ich hier noch nichts. Natürlich überlege ich wie es weitergehen kann, damit möchte ich mich aber erst beschäftigen, wenn ich mit meinem Körper vereinbart habe, meine Karriere definitiv zu beenden.  

Wie beurteilst Du die Bedeutung des Snowboard Sports im Vergleich zum Skisport – gerade was beispielweise Fernsehauftritte angeht?

Es gibt Wintersportarten, die immer im Fernsehen laufen und dazu gehört das Snowboarden leider weniger. Andere Sportarten – wenn es nicht die Klassiker wie Skispringen, Biathlon & Co. sind –
bekommen meiner Meinung nach zu wenig Medienpräsenz. Das ist schade, denn wir hatten immer eine super Resonanz, wenn Snowboard Wettbewerbe dann gelegentlich im Fernsehen liefen, weil die Menschen gerade das Parallelfahren sehr spannend finden. 

Auf welche Komponenten achtest Du als Sportlerin in der Beziehung zu Deinem Trainer besonders?

Wir haben gegenseitig eine sehr respektvolle Beziehung. Er ist mein Chef und ich bin froh über jeden Tipp, den ich von ihm bekomme. Dennoch haben wir ein sehr freundschaftliches Verhältnis – auch im Team. Für mich ist das wie eine große Familie. 

Gibt es noch sportliche Ziele auf Deiner Bucket List und inwiefern könnte Corona diese Ziele gefährden?

Für diese Saison stehen eigentlich die Weltmeisterschaften in China an, doch es ist sehr vage, ob diese überhaupt stattfinden können. Mein Ziel wären hier auf jeden Fall die Podiumsplätze. Im Sommer war ich noch sehr positiv gestimmt, dass zumindest die Wettkämpfe in Europa stattfinden können, doch mittlerweile bin ich eher vorsichtig geworden mit meinen Aussagen. Wir Sportler wünschen uns natürlich eine halbwegs normale Saison. Mir wäre das auch für meine Sponsoren wichtig, denn einige sind wegen der finanziellen Unsicherheit bereits weggebrochen. Zum Glück bin ich durch die Bundeswehr als meinen Hauptarbeitgeber gut abgesichert.

Für Dein Corona Engagement bist Du mit dem Bayrischen Sportpreis ausgezeichnet worden. Wie entstand die Idee der Mithilfe?

Das war echt kurioser Zufall. Mein Freund betreibt in Immenstadt ein Bike-Geschäft. Dieses wurde am 14. März eröffnet und musste nur vier Tage später aufgrund des ersten Lockdowns schon wieder schließen. Dort werden unter anderem Lastenfahrräder verkauft und ich wollte diese sinnvoll nutzen und sie vor dem „Herumstehen“ retten. Nachdem die Saison frühzeitig beendet war hatte ich genügend Zeit und habe mich Online bei der Caritas als freiwilliger ehrenamtlicher Helfer eintragen. Die Aufträge kamen recht schnell und so habe ich dann Versorgungspakete an Menschen in Immenstadt verteilt, die das Haus nicht verlassen konnten. 

Wie sieht Deine Freizeit außerhalb der Piste aus?

Am liebsten würde ich meine gesamte Zeit auf dem Fahrrad verbringen. Wir sind im Sommer sehr viel mit Rad und Wohnmobil unterwegs. Ich bin gerne draußen in der Natur unterwegs wenn der Trainingsplan das zulässt.