„Nashville Live“ in der kultBOX Kempten
Ein Abend zwischen Honky-Tonk, Herzschmerz und Hoffnung
Wer am Sonntagabend die kultBOX betrat, wurde nicht nur Zuschauer, sondern Teil einer musikalischen Reise – schnurstracks in die Seele Amerikas. „Nashville Live“ hatte sich angekündigt, und was zunächst wie ein Tribut-Konzert wirkte, entpuppte sich als kraftvoller, atmosphärischer Abend voller Gefühl, Energie und erzählter Geschichte.
Die Bühne war voll besetzt – acht Musiker insgesamt –, doch im Zentrum standen vier Ausnahmetalente: Zwei Männer, zwei Frauen. Vier Persönlichkeiten, die unterschiedlicher kaum sein könnten und dennoch wie Zahnräder ineinandergreifen. Jeder glänzte für sich – sei es mit stimmlicher Power, lässiger Coolness oder präzisem musikalischem Feingefühl –, aber gemeinsam waren sie eine Wucht. Ihre Stimmen verschmolzen in mehrstimmigem Gesang, in Duetten und großen Gruppenmomenten, in denen der Funke jedes Mal aufs Publikum übersprang.
Es war kein aufpoliertes Broadway-Spektakel – es war echtes, spürbares Feuer. Etwa, wenn der Klassiker „Jackson“ in einem stimmlich flammenden Duett zum Leben erwachte. Da war Chemie auf der Bühne, gepaart mit Humor und musikalischer Präzision. Oder wenn sich die Sängerin mit der Geige ins Rampenlicht spielte: Keine Show-Geste, kein Übermaß – nur Talent, Ausdruck und Eleganz. Ihre sinnliche Präsenz und das gefühlvolle Spiel gaben vielen Songs Tiefe, machten aus bekannten Melodien emotionale Höhepunkte.
Auch die andere Sängerin überzeugte mit soulgetränkter Stimme, besonders eindrucksvoll bei „I Will Always Love You“ – ursprünglich von Dolly Parton geschrieben, später zur unsterblichen Ballade durch Whitney Houston gemacht. Dass solche Hintergründe stets erzählt wurden, war ein Geschenk an das Publikum: Die Lieder wurden nicht einfach gespielt, sie wurden kontextualisiert. Man verstand, was hinter den Texten steckt – Schmerz, Stolz, Zweifel, Lebensfreude.
Die Songauswahl war ein musikalischer Streifzug durch die Jahrzehnte – ein feinsinnig kuratierter Mix aus Country, Folk, Pop und Storytelling. „Jolene“, „The Gambler“, „I Fall to Pieces“ – jeder Titel war ein Treffer. Es war kein Jukebox-Abend, sondern eine liebevolle Hommage an die Wurzeln dieser Musik. Mal pur, fast kammermusikalisch, mal mitreißend und laut. Nach der Pause nahm die Show richtig Fahrt auf: Jeder Song war ein Knaller, ein neuer Höhepunkt, der die Zuschauer von den Sitzen riss oder tief bewegte.
Auch das Publikum trug zur Atmosphäre bei. Viele waren stilecht gekommen – mit Cowboyhüten, Boots, Fransenjacken und Country-Herzen. Line-Dance-Gruppen tanzten am Rand mit, andere wippten im Takt oder klatschten im Chor. Bei ruhigen Nummern flossen Tränen, bei schnellen wurden Arme in die Höhe geworfen. Es war ein Abend für alle – ob jung oder alt, ob eingefleischter Country-Fan oder einfach offen für gute Musik.
Am Ende blieb vor allem ein Gefühl: Dankbarkeit für diese kurze Flucht aus dem Alltag. In Zeiten, in denen man oft nur noch Schlagzeilen aus den USA liest, die vom politischen Chaos, gesellschaftlichen Spaltungen oder außenpolitischem Zündeln berichten, war dieser Abend wie ein liebevoller Reminder: Es gibt ein anderes Amerika – das der Geschichten, der Musik, der Stimmen, die verbinden statt trennen.
Diese Reise nach Nashville, wenn auch nur für ein paar Stunden, war ein musikalischer Traum – ganz ohne Jetlag, aber mit echtem Gefühl. Und vielleicht zeigt gerade dieser Abend: Während Regierungen mit Schlagzeilen polarisieren, verbindet Musik über Grenzen hinweg.
Ein großes Kompliment auch an das Team hinter der bigBOX ALLGÄU, das immer wieder großartige Musikerinnen und Musiker nach Kempten holt. Wir freuen uns schon jetzt auf die nächsten Highlights – in dieser besonderen Stadt mit ihrer ganz eigenen Bühne für echte Live-Momente.