Von der Krabbelkiste ins Brot: Warum Mehlwürmer in unserem Essen landen
Fake News auf Social Media
Als sich die Nachricht in den Sozialen Medien verbreitete, dass ab sofort Mehlwürmer als Zutat bei der Herstellung von Brot und Käse eingesetzt werden dürfen, war die Empörung groß. Schnell wurden Fake News verbreitet, beispielsweise, dass das Pulver aus den Würmern heimlich und unbemerkt in Brot, Nudeln und Co. gelangt. Werfen wir deshalb doch einmal einen genauen Blick darauf, wie die Sachlage hier wirklich ist.
Die Lebensmittelindustrie steht schon länger vor einem Paradigmenwechsel: Insekten, darunter auch Mehlwürmer, finden zunehmend ihren Weg in unsere Nahrung. Vielleicht haben Sie ja auch schon den ein oder anderen Insektenburger in der Tiefkühlabteilung Ihres Supermarkts entdeckt?
Mit der Zulassung von Insekten als Lebensmittel durch die Europäische Union eröffnen sich viele neue Möglichkeiten für die Lebensmittelproduktion, auch im Bereich von Brot- und Käseprodukten.
Krabbeltiere in Lebensmitteln sind nicht ganz neu
Die Europäische Union hat in den letzten Jahren einige Schritte unternommen, um Insekten als Lebensmittel zu regulieren und zuzulassen. 2021 erhielten getrocknete gelbe Mehlwürmer als erstes Insektenprodukt die EU-Zulassung als Lebensmittel. Dieser Prozess beinhaltete eine gründliche wissenschaftliche Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit. Im Fokus stehen dabei die Sicherheit und Verträglichkeit für den menschlichen Verzehr.
Bis Anfang 2023 wurden insgesamt vier Insektenarten für den menschlichen Verzehr in der EU zugelassen: der Mehlwurm, die Wanderheuschrecke, der Buffalo-Wurm und die Hausgrille.
Darum sind Insekten in Lebensmitteln besser als ihr Ruf
Mehlwürmer dürfen also schon länger als Zusatz für Lebensmittel verwendet werden. Warum dann erst jetzt der Aufschrei? Bei der Neuigkeit, die uns aktuell beschäftigt, geht es ganz spezifisch um UV-behandeltes Mehlwurm-Pulver. Mithilfe dieser Behandlung steigt Vitamin-D-Gehalt des Pulvers. In Anbetracht dessen, dass etwa 30 Prozent der Deutschen an einem Vitamin-D-Mangel leiden, also gar keine so schlechte Idee!
Abgesehen vom Vitamin-D-Gehalt bieten Mehlwürmer noch weitere ernährungsphysiologische, aber auch ökologische Vorteile. Das aus den Insekten hergestellte Pulver ist reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen, wodurch das Endprodukt zu einer vollwertigen und gesunden Ernährung beitragen kann.
Außerdem ist die Nutzung von Insekten wesentlich nachhaltiger als beispielsweise die traditionelle Viehzucht. Insektenzucht benötigt weniger Land, Wasser und Futter und erzeugt geringere Treibhausgasemissionen. Dies könnte dazu beitragen, die Umweltauswirkungen der Lebensmittelproduktion zu reduzieren und gleichzeitig die Ernährungssicherheit zu verbessern.
Niemand mogelt Insekten ins Essen
Anders als über Social Media verbreitet, dürfen Insekten und das daraus hergestellte Pulver aber nicht heimlich in Lebensmittel geschmuggelt werden. Im Gegenteil: Strenge Sicherheits- und Kennzeichnungsanforderungen müssen eingehalten werden.
Transparenz gegenüber den Verbrauchern ist ein zentrales Anliegen der EU-Regulierungsbehörden. Lebensmittel, die Insekten enthalten, müssen dies dementsprechend klar und verständlich in ihrer Zutatenliste deklarieren. Im Fall der UV-behandelten Mehlwürmer können Sie beispielsweise nach Begriffen wie „getrocknete gelbe Mehlwürmer“ oder „UV-behandeltes Larvenpulver“ Ausschau halten. Zudem sind Hinweise auf mögliche allergische Reaktionen erforderlich, insbesondere für Personen mit Allergien gegen Krebs- und Weichtiere oder Hausstaubmilben.
Mehlwurm-Pulver in Lebensmitteln – so funktioniert es
Aber wie genau kommen die Insekten eigentlich in unsere Lebensmittel? Schauen wir uns doch dafür zwei gängige Möglichkeiten an: Mehlwürmer im Brot und Mehlwürmer im Käse. Der erste Schritt bleibt unabhängig vom Endprodukt immer gleich: Die Mehlwürmer werden für die Lebensmittelproduktion zunächst getrocknet und anschließend zu feinem Pulver vermahlen. Wenn der Vitamin-D-Gehalt erhöht werden soll, kann dieses Pulver zusätzlich UV-bestrahlt werden.
So entsteht Brot mit Mehlwurm-Pulver
Im Brot kann das Mehlwurm-Pulver direkt mit Weizen-, Dinkel- oder Roggenmehl vermischt oder erst später während des Knetvorgangs hinzugefügt werden. Je nach gewünschtem Proteingehalt kann es 5 – 10 % des Gesamtmehls ausmachen. Da Mehlwurm-Pulver kein Gluten enthält, müssen die Hersteller die Rezeptur etwas anpassen, damit die Backeigenschaften nicht beeinträchtigt werden. Das fertige Brot enthält durch die Insekten einen erhöhten Protein- und Nährstoffgehalt. Geschmacklich bleibt es oft neutral, kann aber leicht nussige Noten aufweisen.
So wird Käse mit Mehlwurm-Pulver aufgewertet
Mehlwurm-Pulver kann bereits in die Milch eingerührt werden, bevor Lab oder andere Gerinnungsmittel hinzugefügt werden. So verteilt es sich gleichmäßig in der Käsemasse. Es ist aber auch möglich, es in späteren Verarbeitungsschritten, beispielsweise wenn der Käsebruch entsteht, beizumengen.
Alternativ kann das Pulver auch in die Rinde eingearbeitet oder als Bestandteil eines Würzmantels verwendet werden.
Besonders bei gereiften Käsesorten kann das für eine interessante Optik und Nährstoffanreicherung sorgen. Dann durchläuft der Käse seinen normalen Reifeprozess. Da Insektenproteine hitzestabil sind, bleiben ihre Nährstoffe weitgehend erhalten.
Diese Verarbeitungsschritte zeigen, dass Mehlwürmer nicht einfach nur als „exotische“ Zutat dienen, sondern gezielt eingesetzt werden, um den Nährwert von Brot und Käse zu verbessern.
Akzeptanz und Zukunftsperspektiven
Trotz der genannten Vorteile steht die breite Akzeptanz von Insekten in bei uns in Deutschland noch ganz am Anfang. Mit der fortschreitenden Integration von Insekten in alltägliche Lebensmittel wie Brot und Käse könnten sich die Essgewohnheiten nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa in den kommenden Jahren verändern. Insgesamt markieren Mehlwürmer als Zutat in Brot und Käse einen spannenden Schritt in Richtung einer nachhaltigeren und diversifizierten Lebensmittelproduktion. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie sich dieser Trend entwickelt und wie Verbraucher darauf reagieren.
FAZIT:
Wer keine Mehlwürmer in seinen Lebensmitteln mag, muss diese auch nicht essen. Das Pulver wird eindeutig in der Zutatenliste deklariert. Dennoch kann man einen Versuch wagen, denn Produkte mit Mehlwürmern bieten wertvolle Nährstoffe, haben in der Regel einen höheren Proteingehalt und bringen dank der UV-Behandlung einen höheren Vitamin-D-Gehalt mit sich. Obwohl die Akzeptanz noch nicht sonderlich hoch ist, könnten Insekten langfristig ein wichtiger Teil unserer Ernährung werden. Text: Julia Höß