Zivilgesellschaftliches Bündnis „Augsburg handelt“ wendet sich an Augsburgs Stadtrat
Offener Brief soll zur Maßnahmenumsetzung anregen
Unter dem Titel „Augsburg handelt“ versammeln sich seit wenigen Wochen Institutionen, Firmen und Organisationen, die sich öffentlich hinter Fridays for Future stellen. Zum Abschluss der Week for Climate übergibt unser überparteiliches und ehrenamtlich organisiertes Bündnis einen offenen Brief an Augsburgs Stadtrat.
„Uns ist bewusst, dass die Klimakrise ein vielschichtiges Problem ist, bei dem neben dem ökologischen Aspekt auch viele andere wie etwa soziale und wirtschaftliche berücksichtigt werden müssen“ so Lisa Janker, eine der Koordinator*innen des Bündnisses. „Unser Respekt gilt allen Politiker*innen, die fortlaufend unterschiedliche Interessen balancieren müssen und daher nicht immer ihre eigenen Zukunftsvisionen umsetzen können.“
Dennoch gibt es viel Handlungs- und Gestaltungsspielraum, den wir als Stadtgemeinschaft zusammen entschlossen ausnutzen müssen. Mit dem offenen Brief hoffen wir, die Stadtregierung anzustoßen, einen Masterplan Klima auszuarbeiten. Dieser soll das vorliegende regionale Klimaschutzkonzept und den Augsburger Nachhaltigkeitsbericht an die heutige Situation anpassen und darlegen, wie Augsburg seinen Anteil am Pariser Klimaabkommen erfüllen wird. Er soll transparente Zwischenziele mit verbindlichen Einhaltungsfristen enthalten, mit denen der Umsetzungsfortschritt verfolgt werden kann.
Die 65 Bündnispartner sind Bäckereien, Banken, Bauunternehmen, Bürgerverbände, Kleidergeschäfte, Krankenkassen, Kunstkollektive, Landwirtschaftsverbände, Naturschutzorganisationen, Restaurants, Softwarehersteller und andere Betriebe, Vereine und Institutionen. Unternehmen, deren Geschäftskonzept mit Fridays for Future unvereinbar ist, sowie Parteien und parteinahe Organisationen können dem Bündnis nicht beitreten. Wir verstehen uns als Schwester des Bündnisses München muss handeln, das sich bereits im Juli gründete und dem mittlerweile 350 Bündnispartner angehören.
Forderungen im offenen Brief:
1. Augsburg soll den Klimanotstand ausrufen und damit dem Vorbild von 52 Orten und Gemeinden Deutschlands folgen. Die Klimanotstandserklärung soll im Kern der angehängten Vorlage (Variante 1) des Klima-Bündnisses, dem Augsburg bereits seit 1998 angehört, folgen.2. Augsburg soll vor Ende 2020 einen Masterplan Klima vorlegen, um Augs- burgs Anteil am Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Dieser soll das vorlie- gende regionale Klimaschutzkonzept und den Augsburger Nachhaltigkeitsbericht an die heutige Situation anpassen und transparente Zwischenziele mit verbindlichen Einhaltungsfristen enthalten, mit denen der Umsetzungsfortschritt verfolgt werden kann.
3. Augsburg soll den öffentlichen Personennahverkehr massiv ausbauen und erheblich vergünstigen. Er soll deutlich leistungsfähiger werden, damit er die Stadt vom Autoverkehr entlasten kann. Dafür sind alle im Nahverkehrsplan 2015 vorgesehe- nen Straßenbahnlinien bis 2025 zu bauen. Alle Stationen der Regionalbahn sollen bis 2025 barrierefrei sein. Umsteigen zu Tram und Bus soll gleichzeitig auf direktem Weg möglich sein. Bis 2030 sollen 90 % der Wohnungen und Arbeitsplätze über den ÖPNV erreichbar sein. Dafür sind weitere Haltepunkte der Regionalbahn (etwa Oberhausen Nord, Bärenkeller, Spickel, Hochzoll-Süd) und zusätzliche Straßenbahnstrecken (etwa Hochzoll Süd, Textilviertel, Industriegebiet Lechhausen, Pfersee Süd) zu bauen. Ab spätestens 2025 soll zwischen 6 Uhr und 22 Uhr auf allen Verbindungen mindestens ein 10-Minuten-Takt umgesetzt sein. Für Kinder und Jugendliche bis 21 Jahren soll der ÖPNV ab Ende 2020 kostenlos sein. Mobilität mit Fahrrad und mit ÖPNV sollen leichter kombinierbar sein, etwa durch sichere und komfortable Fahrradstellplätze. Augsburg soll sich dafür einsetzen, diese Standards auch für die Nachbargemeinden zu erreichen und neue Regionalbahn- und Straßenbahnverbindungen schaffen.
4. Augsburg soll den motorisierten Individualverkehr im gesamten Stadtgebiet systematisch und geplant reduzieren, etwa nach dem Vorbild Wiens. Vom Zen- trum ausgehend soll ab Anfang 2020 schrittweise eine e ektive Parkraumbewirt- schaftung umgesetzt werden. Jedes Jahr soll, ähnlich dem Kopenhagener Modell, der Parkraum um 3 % reduziert werden. Frei gewordene Fläche kann etwa über Urban- Gardening-Projekte der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden. Zur Stärkung des Einzelhandels und des städtischen Lebens sollen deutlich mehr Bereiche als Fuß- gängerzonen oder Fahrradstraßen ausgewiesen werden. Wohnviertel leiden unter Durchgangsverkehr mit Autos. Neue Wohnviertel in Augs- burg verhindern dies nach niederländischem Vorbild. Dies soll auch in gewachsenen Wohnvierteln umgesetzt werden. Mit wohl zu begründenden Ausnahmen soll unter vollständiger Ausnutzung des rechtlichen Rahmens das Tempo auf 30 Stundenkilome- ter reduziert werden.
5. Augsburg soll seinem Prädikat Fahrradstadt gerecht werden und diesbezüg- lich deutliche Anstrengungen unternehmen, da eine echte Verkehrswende notwendig ist. Dazu gehören: der zügige Ausbau der Fahrradinfrastruktur entlang der vorgesehenen Radachsen; die Entschärfung der verkehrsreichen Kreuzungen für Radler*innen; ausreichende Radparkmöglichkeiten an allen ö entlichen Gebäuden, Bahnhöfen, Schulen, aber auch in dicht bebauten älteren Wohnvierteln, wo es oft an Unterstellmöglichkeiten mangelt; der Ausbau der Infrastruktur für die Zweirad- Elektromobilität durch E-Lastenrad-Verleih, Park- und Ladestationen.
6. Augsburg soll seine Anstrengungen in allen Bereichen der kommunalen Ein- richtungen erhöhen: Wo noch nicht der Fall, soll ab Ende 2019 Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen bezogen werden; abgesehen von wenigen im Einzel- fall nachvollziehbar zu begründenden Ausnahmen soll ausschließlich 100-%-Recycling- Papier verwendet werden; und in allen Bereichen der kommunalen Bescha ung soll jede Entscheidung vor dem Hintergrund ökologischer und fairer Überlegungen ge- tro en werden.
7. Augsburg soll bis Ende 2020 alle Investitionen,die Firmen finanzieren, deren Geschäftsmodelle auf fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle basieren, ab- ziehen und stattdessen in klimafreundliche Wirtschaftsbereiche investieren. Ferner sollen bis Ende 2020 Anlagerichtlinien für kommunale Finanzrücklagen er- arbeitet bzw. die bestehenden Anlagerichtlinien dahingehend ergänzt werden, dass klare Ausschlusskriterien für Investitionen in Unternehmen enthalten sind, deren Geschäftsmodelle auf Kohle und Öl basieren. Augsburg soll die Umsetzung dieser beiden Forderungen auch in all seinen Beteiligungen mit Nachdruck anstreben.
8. Augsburg soll endlich dem selbst gesteckten Ziel als Biostadt gerecht werden und den Anteil an biologisch erzeugten sowie regional und saisonal verfüg- baren Lebensmitteln in Kantinen und anderen Verp egungseinrichtungen erheblich erhöhen. Die bereits im Jahr 2007 festgelegten Quoten für den Anteil von biologisch erzeugten Lebensmitteln von 30 % in städtischen Einrichtungen und 100 % bei allen städtischen Veranstaltungen sollen bis spätestens Ende 2020 vollständig um- gesetzt werden. Für die weitere Zukunft soll der Bioanteil weiter substanziell erhöht werden und sollen keine Lebensmittel mehr aus industrieller Tierhaltung bezogen werden. In allen ö entlichen Einrichtungen sollen ab sofort täglich vollwertige, regio- nale, saisonale, vegetarische und vegane Gerichte angeboten werden. Zusätzlich soll der Anteil p anzlich basierter Gerichte in der Gemeinschaftsverp egung in Zukunft weiter erhöht werden.
9. Augsburg soll einen langfristigen Alleen-Nachp anzungsplan ausarbeiten. Sämtliche Stadt-Allee-Bäume, die im Laufe der letzten Jahrzehnte für Parkplätze, Reklametafeln und andere Dinge gefällt wurden, sollen in der unmittelbaren Umge- bung ersetzt werden. Wenn bei städtischen oder privaten Baumaßnahmen Bäume, die durch die Baumschutzverordnung geschützt sind, zu Schaden kommen, soll dies mit erheblichen Geldstrafen konsequent geahndet werden. Die Fuggerlinden sollen erhalten werden. Der bisherige Stadtratsbeschluss, die Linden im Zuge des Projektes „Fuggerboulevard“ zu fällen, ist zurückzunehmen. Ö entliche Plätze sollen dahingehend umgebaut werden, dass sie mehr Bäume als P aster bieten. Grün ächen sollen als Parks gestaltet werden.