Dr. Otto - Mannschaftsarzt beim FC Augsburg im Interview!
"Das hat sich massiv geändert, da sich der Sport verändert hat. Die Strecken, die Sprints, die gelaufen werden, die Intensität und Häufigkeit der Spiele, das alles ist nicht mehr mit den 1990ern vergleichbar."
Damit an einem bestimmten Tag die bestmögliche Leistung im Profisport abgerufen werden kann, dafür wird heutzutage alles getan, damit die Akteure optimal vorbereitet sind. Hierzu haben die Profi-Vereine längst ihre medizinischen Abteilungen ausgebaut, auch beim FCA. Wie es ist bei einem Bundesliga-Verein als Arzt aktiv zu sein, warum es manchmal für den Laien extrem schnell geht, dass ein Spieler nach einer Verletzung wieder auf dem Platz steht, darüber sprach Marion Buk-Kluger mit FCA-Mannschaftsarzt Dr. Jens-Ulrich Otto.
Dr. Otto: Nein, wenn man von den 1990ern spricht, das war sicher eine andere Zeit. Seit den letzten 20 Jahren gibt es eine größere mediale Aufmerksamkeit. Auch die sozialen Medien spielen eine Rolle. Doch auf die medizinische Arbeit konkret hat es keinen Einfluss.
Wenn wir uns ein jüngstes Beispiel im Kader des FCA ansehen. Kapitän Jeff Gouweleeuw verletzte sich an der Hand, spielte dennoch zwei Ligaspiele, bevor er sich operieren ließ und stand dann wenige Tage später wieder auf dem Platz. Auch bei Nicht-Profis ist man heutzutage nach einem operativen Eingriff wieder schnell in der Lage zu arbeiten. Dennoch kommt oft erst einmal eine längere Reha-Zeit. Und obwohl es sich um eine Handverletzung handelte, wundert sich der Laie, wie schnell das dann doch und überhaupt ging.
Dr. Otto: Es hängt schon davon ab, welcher Art die Verletzung ist und wie es die jeweilige Sportart beeinträchtigt. Es geht immer darum, die Struktur bei der Arbeit zu schützen, die behandelt wurde. Das kann man nicht verallgemeinern. Es muss jedoch immer der Patient, der Sportler im Vordergrund stehen. Er muss ungestört agieren können, auch in dem Bereich, in dem sein Problem war. Bei einem Kreuzbandriss könnte man eine OP natürlich nicht zwei Wochen schieben, geschweige denn den Spieler nach zwei Wochen wieder einsetzen.
Klar, braucht ein Fußballspieler jetzt nicht seine Hand zum Spiel, aber es geht hier um einen menschlichen Körper, einen Eingriff. Und die Belastung im Spiel kommt schließlich hinzu?
Dr. Otto: Im Mittelpunkt steht natürlich immer der Spieler, der Mensch. Er wird wie ein Laie / Nicht-Spieler behandelt. Aber der Sport ist eben sein Beruf. Im Leistungssport generell geht es immer um Leistung. Im Gesundheitssport um Gesundheit. Das ist ein Unterschied. Hier muss man stets mit der betroffenen Person in einem engen Spannungsfeld handeln, berücksichtigen, was diese möchte: muss ich sie schützen oder kann man in Absprache eine spielfähige Situation herstellen, ohne die Gesundheit zu gefährden. Je nachdem, wo die Verletzung ist, gibt es Situationen, in denen man den Spieler, auch wenn er noch so sehr will, nicht spielen lassen kann.
Der Drang, sich schnellstmöglich wieder zu zeigen, ist aber doch sehr hoch. Wie steht es da um ihre persönliche Verantwortung im Agieren?
Dr. Otto: Es ist eine sehr hohe Verantwortung. Nehmen wir die Gehirnerschütterung, von außen für Laien häufig kaum erkennbar. Hier ist unsere Aufgabe, auf deren Heilung sehr genau zu achten. Das Wohl des Spielers steht, im Übrigen aber auch in jeder anderen Situation, über allem. Selbst, wenn er es anders sieht.
Ist der Einsatz direkt bei einem Spiel mit einer höheren Belastung für Sie persönlich verbunden, als im täglichen Arbeiten?
Dr. Otto: Innerhalb von drei Minuten, so die Regularien, hat man Zeit zu entscheiden: geht es weiter oder muss man den Spieler schützen. Da haben wir Routine, das haben wir gelernt und bringen es professionell auf den Platz.
Gibt es Unterschiede zwischen der Arbeit im Profi-Sportbereich und der mit Laien-Patienten?
Dr. Otto: Nein, ich bin der Arzt und gegenüber ist der Mensch, mit dem ich eine Entscheidung treffe, ob er mit der Verletzung seinen Beruf ausüben kann oder nicht. Emotion gehört hier nicht hinein.
Wie wichtig ist denn Ihrer Meinung nach heutzutage die medizinische Betreuung, da sich die Anforderungen im Profisport sehr gesteigert haben?
Dr. Otto: Sie spielt eine große Rolle. Die Prävention wird hier beim FC Augsburg durch eine große Mannschaft an Begleitmedizin-Personal wie Athletik- und Reha-Trainern, Physiotherapeuten und Ärzten unterstützt. Es wird alles getan, die Spieler so vorzubereiten, dass sie diese hohen Ansprüche, die Athletik des Sportes aushalten können. Man kann sich das wie bei einem Rennpferd vorstellen. Man muss an einem bestimmten Tag seine Leistung abrufen können. Dafür wird alles getan: gutes Essen, gute Vorbereitung, guter Sport usw. Damit dieser talentierte Mensch mit seiner Physis das erreichen kann, was er möchte. Das ist eine der Hauptaufgaben im Leistungssport, die Akteure so vorzubereiten, dass sie diese Leistung über eine längere Zeit bringen können.
Das hat nichts mehr mit den Profi-Spielern von einst zu tun, die vor einem Spiel durchaus feiern gingen!
Dr. Otto: Das hat sich massiv geändert, da sich der Sport verändert hat. Die Strecken, die Sprints, die gelaufen werden, die Intensität und Häufigkeit der Spiele, das alles ist nicht mehr mit den 1990ern vergleichbar. Die Athletik muss daher gut vorbereitet sein. Daher ist der ganze Apparat notwendig und wichtig.
Was hat sie persönlich daran gereizt, als Arzt beim FC Augsburg aktiv zu sein?
Dr. Otto: Ich bin Orthopäde und daher ist es für meinen Berufsalltag noch eine weitere, spannende Sicht auf einen bestimmten Teilbereich meines Fachgebietes. Man hat 25 mögliche Patienten, um die man sich kümmert, die alle schnellstmöglich gesund werden wollen, wenn sie verletzt sind. Für einen Arzt eine schöne und interessante Erfahrung. Als „normaler“ Arzt draußen erlebt man dies nicht unbedingt, da hat jeder mehr Zeit, gesund zu werden.
Den Körpern der Profisportler wird jedoch schon viel abverlangt, man sieht es oftmals erst nach ihrer aktiven Karriere, welchen Preis sie bezahlen. Wie vereinen sie das mit Ihrem hippokratischen Eid?
Dr. Otto: Nun, es verlangen die Sportler sich selbst ab. Es klingt immer so, als ob das Umfeld sie dazu dränge. Als Bundesliga-Spieler gehört man zur Crème de la Crème des Fußballsportes in Deutschland. Die Spieler wollen hier aktiv sein, möchten alles dafür geben, haben einen hohen Leistungsanspruch an sich selbst. Sonst wären sie auch nicht dort. Das unterstützen wir. Natürlich nehmen die Menschen sehr viel dafür in Kauf, auch im Nachgang höhere Abnutzungen des Körpers. Sie haben nur einen begrenzten Zeitraum, um mit ihrer Top-Leistung Geld zu verdienen…Es ist auch nicht meine Aufgabe, und ich wäre hier fehl am Platze, wenn ich Sportler, die sich für diesen Weg entschieden haben, in ihrer Leistungsfähigkeit einbremsen würde, um eventuelle Folgen für die Zukunft zu vermeiden.
Abschließend, was wäre Ihnen wichtig, was von außen in puncto Verletzung bei Spielern reflektierter betrachtet werden könnte?
Dr. Otto: Der Anspruch von außen an die Spieler ist hoch. Sie geben schon alles, auch die, die sie unterstützen. Abschätzige Äußerungen wie „Jetzt hat er schon wieder etwas!“ oder „Es dauert zu lange!“, ist fehl am Platz. Ich würde mir wünschen, dass das aufhört. Zu solchen Beurteilungen fehlt häufig das Hintergrundwissen. Die Spieler sind alles Menschen, die absolut wollen, davon kann man ausgehen. Keiner versucht, etwas zu simulieren, im Gegenteil!