Interview mit dem Vorsitzenden des CSU-Arbeitskreis Energiewende
Energiewende à la Allgäuer CSU
Oberallgäu…Energieintensive Betriebe in Deutschland beklagen, dass sie aufgrund hoher Energiekosten im weltweiten Vergleich immer mehr an Konkurrenzfähigkeit verlieren und deshalb ihre Produktion ggfs. ins Ausland verlegen müssen.
TRENDYone: Die Energiewende der Ampel-Koalition gerät ins Stocken und erscheint vielen als unbezahlbar. Welche Ursachen liegen Ihrer Meinung nach dem zugrunde?
Georg Johann Brand: Ob die Energiewende der Ampel unbezahlbar ist, weiß ich nicht. Sie ist jedenfalls sehr teuer. Das drückt sich auch in den Strompreisen aus, die zu den höchsten in Europa und weltweit gehören. Das belastet die Stromkunden aber auch die Wirtschaft, deren Wettbewerbsfähigkeit dadurch beeinträchtigt ist. Stellenabbau oder Abwanderung von Unternehmen in Länder mit niedrigeren Energiepreisen, sind die Folge.
Der Grund liegt in der mangelnden Effizienz des Systems. Man hat zu lange an zu hohen und langfristig garantierten Einspeisevergütungen für PV und Windstrom festgehalten, was dazu geführt hat, dass wir zu großen Teilen am Bedarf vorbei produzieren.
Da Strom aber nicht lagerbar ist und ohne ausreichende Speicher auch nicht speicherbar, müssen Anlagen immer wieder abgestellt werden, um „Überstrom“ zu vermeiden oder der Strom fließt zu sehr niedrigen, manchmal negativen Preisen ist Ausland. Durch die Garantien müssen die Anlagenbetreiber aber dennoch bezahlt werden, z. T. mit noch sehr hohen Preisen.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, die Garantien waren erforderlich als Anschubsubvention und sind so auch zu rechtfertigen. Diese Phase muss jetzt aber überwunden werden.
TRENDYone: Wie sieht eine Energiewende aus, bei der die Union, respektive die CSU, mitgestalten würde? In welchen Punkten würde sich diese von der der gescheiterten Ampel-Koalition unterscheiden?
Georg Johann Brand: Was wir jetzt brauchen ist „Mehr Markt für den Strommarkt“ oder anders ausgedrückt eine Reform, die dazu führt, dass sich Stromproduktion und Lieferung stärker am Markt orientieren. Gleichzeitig brauchen wir Mechanismen, die dazu führen, dass sich die Lastkurven, das heißt die Stromnutzung, so weit wie möglich an der fluktuierenden Erzeugung orientieren. Letzteres geht jedoch nur bedingt. Es geht ganz gut im Haushalt, wenn sich Verbraucher z. B. für einen dynamischen Stromtarif entscheiden und dann den günstigen Strom zur Mittagszeit nutzen, um zu waschen, zu kochen oder das E-Auto aufzuladen. Es geht schlecht oder gar nicht in vielen Unternehmen. Die können nicht einfach in einer Dunkelflaute die Arbeit ruhen lassen. Maschinen wollen 24/7 in Betrieb sein und die Kunden wollen beliefert werden.
Das Strommarktdesign der Zukunft wird die Direktvermarktung sein und eine Lenkung des Ausbaus dort hin, wo die großen Stromautobahnen sind, um Netzausbaukosten zu sparen, denn die Netzentgelte sind derzeit ein wesentlicher Treiber der Strompreise. Die Direktvermarktung wird ganz automatisch zum Aufbau von Speicherkapazitäten motivieren, weil es sich in der Direktvermarktung lohnt den Strom zu speichern und erst dann einzuspeisen, wenn der Bedarf da ist.
TRENDYone: Die CSU bringt grundlastfähige Energieerzeugung durch Biomasse ins Spiel. Was kann sich der Laie darunter vorstellen und gibt es seitens der Bauernschaft in Bayern hier ein Interesse mitzuwirken?
Georg Johann Brand: Biomasse, speziell Biogas, kann eine wesentliche Funktion zum Ausgleich der fluktuierenden Erzeugung mittels PV und Wind übernehmen. Biogas ist speicherbar und ermöglicht daher die Verstromung aufzuschieben, bis der Bedarf da ist – oder anders ausgedrückt – mit Biogas kann in die Stromlücke hinein produziert werden. Voraussetzung ist, dass die Biogasanlagen flexibilisiert werden, was derzeit nur in sehr geringem Umfang der Fall ist. Dazu brauchen die Betreiber Anschubhilfen, die von der Ampel nicht gewährt wurden – im Gegenteil, die Ampel hat alles getan, um die Biogasanlagen runter zu fahren. Biomasse erschöpft sich allerdings nicht in Biogas. Zur Biomasse gehört auch Holz.
Bei Holz muss die stoffliche Nutzung, d. h. Holz als Baustoff im Vordergrund stehen. Bei der stofflichen Nutzung fällt aber auch Restholz an – fast die Hälfte der Gesamternte.
Auch das muss weiter möglich bleiben oder ausgebaut werden – z. B. bei Heizzentralen die auf Hackschnitzel setzen.
Wenn an der Stelle, von der ein Baum entnommen wird, wieder einer nachwächst, ist Holz nicht nur klimaneutral, sondern sogar eine Kohlenstoffsenke, da die stoffliche und energetische Nutzung fossile Roh- bzw. Brennstoffe ersetzen.
TRENDYone: Die Energiewende bedeutet, dass die Energieversorgung komplexer und dezentraler wird. Große Kraftwerke verschwinden und werden durch ein System ersetzt in dem fortwährend ein Ausgleich erfolgt zwischen Bereitstellung und Nutzung durch ein komplexes Zusammenspiel aus zeitlich angepasster Energieerzeugung, der Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr, dem temporären Einsatz flexibler Erzeugungsanlagen und von Speichern. Worauf muss sich ein normaler Haushalt einstellen, Stichwort u.a. dynamischer Strompreis? Wie kann der Verbraucher proaktiv am Gelingen der Energiewende mitwirken, Stichwort u.a. Balkonkraftwerke?
Georg Johann Brand: Die Dezentralisierung der Energieerzeugung und Versorgung ist für die Regionen auch eine große Chance, weil damit Wertschöpfung zurückgeholt wird in die Regionen. Bürger können sich beteiligen, durch PV Anlagen auf dem eigenen Dach oder – wenn man ein solches nicht hat – durch Balkonkraftwerke. Wichtig ist zukünftig immer, dies am eigenen Bedarf auszurichten, also eine möglichst hohe Eigennutzung des erzeugten Stroms anzustreben. Damit ersetzt man Strombezug, den man dann als Ertrag der eigenen Anlage anrechnen kann.
Die sog. Sektorenkopplung ist zukünftig ein noch wichtigeres Thema. Biogasanlagen können z. B. nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Wärme bereitstellen. Und es gibt auch noch andere Wärmequellen z. B. Abwärme der Industrie oder aus dem Abwasser, in manchen Regionen die Geothermie, die man nutzen kann. Nicht eine einseitige Fixierung nur auf den Strom ist die Lösung, sondern ein Mix von vielem.
Um alles zusammenzuführen sind die sog. Energy communities eine Möglichkeit. Das sind Gemeinschaften, die Energie untereinander austauschen können und in denen eine Vielfalt von Erzeugungen und Verbrauchsprofilen zusammengeführt wird. So kann z. B. ein Hausbesitzer mit einem großen Dach ganz unbürokratisch seinen Nachbarn mitversorgen. Leider sind entsprechende EU Richtlinien bei uns noch nicht in nationales Recht überführt, während dies z. B. in Österreich bereits erfolgt ist.
Das Interview führte JSP