73. Allgäuer Festwoche feierlich in Kempten eröffnet

«Die Ressource Mensch»

Kempten…Nachdem im vergangenen Jahr nach der Corona-Pandemie ein zarter Neubeginn der Allgäuer Festwoche versucht wurde, möchten die Verantwortlichen heuer zur 73. Allgäuer Festwoche wieder voll durchstarten. Zwar ist die Pandemie beendet, aber der Krieg in der Ukraine mit seinen wirtschaftlichen Folgen auch für Deutschland und das Allgäu, hemmt spürbar diese Euphorie. Das zeigte sich auch bei den Festreden von Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle (56) und dem Bayerischen Staatsminister für Gesundheit Klaus Holetschek (59), die am vergangenen Samstag offiziell die 73. Allgäuer Festwoche im Stadttheater in Kempten vor rund 450 Gästen eröffneten. Den musikalischen Rahmen setzen bei den Feierlichkeiten das Blechbläserensemble der Stadtkapelle Kempten, die Stadtkapelle mit ihrer gelungenen Eigenkomposition „Zeitenwende" sowie die Sängerin Patrizia Unger in Begleitung des Gitarristen Toni Eberle.

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Festredner auf der 73. Allgäuer Festwoche war der Bayerische Staatsminister für Gesundheit und gebürtige Allgäuer Klaus Holetschek.Bild: Jörg Spielberg
Viel Prominenz

Als Ehrengäste konnte das Team des Kempten Messe- und Veranstaltungs-Betrieb unter Festwochenleiterin Michaela Waldmann und Oberbürgermeister Thomas Kiechle die Bundesminister a.D. Dr. Theo Waigel und Dr. Gerd Müller, amtierender Generaldirektor der UNIDO, begrüßen. Erschienen waren die Bundestagsabgeordneten Mechthilde Wittmann, Stephan Thomae, Peter Felser, Dr. Rainer Rothfuß und die Landtagsabgeordneten Eric Beißwenger, Thomas Gehring, Leopold Herz, Alexander Hold, Thomas Kreuzer, Bernhard Pohl und Dr. Dominik Spitzer. Ebenso anwesend waren die Regierungspräsidentin von Schwaben Sabine Beck und Alfons Weber in Vertretung des Bezirkstagspräsidenten Martin Sailer sowie die Bezirkstagsvizepräsidentin Barbara Holzmann. Traditionell zur Feierlichkeit eingeladen waren die Vertreter von Justiz, Polizei und Bundeswehr, von Behörden und Ämtern, Sport, Wirtschaft, Handwerk, Presse und Medien. Glücklich zeigte sich OB Kiechle auch darüber, dass er gleich drei amtierende Prinzesinnen unter den Gästen begrüßen durfte: die Bayerische Bierkönigin Mona Sommer aus Weitnau, aus der Partnerstadt Bad Dürkheim die amtierende Weinkönigin Weinprinzessin Karolin Ott und die Bayerische Milchprinzessin Philomena Mögele.



Herausfordernde Zeiten

In seiner Ansprache nimmt Oberbürgermeister Thomas Kiechle dezidiert Stellung zur gegenwärtigen wirtschaftlichen wie politischen Lage. Bedingt durch den Ukraine-Krieg und Reaktionen auf den globalen Klimawandel, hat sich der Alltag der Menschen in Deutschland und auch im Allgäu spürbar verändert. Die Meisten sind direkt von Inflation, Energiekrise mit explodierenden Energiepreisen, dem „Fachkräftemangel", dem demographischen Wandel, dem Pflegenotstand oder der Unterbringung von neuen Flüchtlingen betroffen. „Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird in diesen Tagen auf eine schwere Probe gestellt. Die Krisen reißen nicht ab und die Dimension der Themen, die auf die Menschen einprasseln, nimmt an Größe zu. Das Vertrauen in Institutionen nimmt ab. Angesichts des andauernden Kriegs in der Ukraine, Inflation, hoher Teuerungsraten bei der Energie und Wohnungsknappheit fühlt sich ein Großteil der Bevölkerung desillusioniert. Laut einer jüngst veröffentlichen Studie des Rheingold Instituts reagieren viele Menschen auf die gespürte Aussichtslosigkeit mit einer Abkehr von den Tagesnachrichten und einer Flucht ins private Glück. Damit verbunden ist eine tiefe Resignation gegenüber der Politik und den Zukunftsmöglichkeiten in unserem Land."

Zusammenhalt wird schwieriger

Kiechle beschönigt nicht und fährt fort: „Die Bürgerinnen und Bürger haben zunehmend Schwierigkeiten, geeignete Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder einen Facharzt zu finden. Pflegeplätze sind Mangelware. Die Wartezeiten in Notaufnahmen nehmen zu. Und spätestens hier werden Sie sich alle angesprochen fühlen. Wir spüren und sehen es alle im Alltag: Was über Jahre hinweg funktionierte und aufgebaut wurde, gerät unter Druck. Wir kommen zunehmend in die Situation, Standards hinterfragen zu müssen. Das macht etwas mit unserer Gesellschaft. Der Zusammenhalt wird schwieriger."

„Mir" schaffen das
Kiechles Antwort auf all diese Herausforderungen ist nicht Resignation, sondern die Menschen in ihrer Eigenverantwortung und Selbstorganisation zu unterstützen. Sein Satz, sich nicht in Schuldzuweisungen, dauerhaften Lamentieren und dem Polarisieren ohne konkrete Lösungsansätze zu verlieren, findet Gehör im fast zur Gänze gefüllten großen Theatersaal und wird mit Applaus belegt. Zwischen den Zeilen aber bereitet Kiechle seine Zuhörer auf härtere Seiten vor, bei denen es auch im Bereich der Kommunalpolitik zu harten Einschnitten kommen wird. Deshalb fordert Kiechle, vielleicht in kluger Voraussicht, die Politik möge ehrlich zu den Bürgern, vulgo Wählern, sein. Kiechle: „Ehrlichkeit ist gefordert! Politikerinnen und Politiker dürfen keine Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen können."

Die „Ressource Mensch"

Um seine Ausführungen über bevorstehende Krisen und deren Bewältigung zu unterstreichen, lud sich Kemptens Stadtoberhaupt zwei kompetente Interviewpartner auf die Bühne: Gerhard Pfeiffer, Geschäftsführer der PFEIFER Holding GmbH & Co. KG und Präsident IHK Schwaben sowie Prof. Dr. Astrid Selder, Dekanin der Fakultät Soziales und Gesundheit, Hochschule Kempten. Pfeiffer bestätigte die schwierige Lage auch für das Allgäu, stellte aber die Innovationskraft der hier ansässigen Unternehmen und Betriebe dagegen. In Anwesenheit von Dr. Gerd Müller, Initiator des Lieferkettengesetzes, attestierte Pfeiffer allerdings diesem ein unrühmliches Hindernis für die heimische Wirtschaft geschaffen zu haben. Dr. Selder erläuterte in ihren Antworten, wie mit Hilfe der Digitalisierung Engpässe und Schwierigkeiten in der Pflege bewältigt werden können. Aber auch sie, genau wie der auf sie folgende Redner Staatsminister Klaus Holetschek, betonte: Im Fokus aller Überlegungen steht immer die Ressource „Mensch".

Staatsminister Holetschek

Höhepunkt der rund zweistündigen Veranstaltung im Stadttheater war die Rede des Bayerischen Staatsministers und gebürtigen Unterallgäuers Klaus Holetschek. Der deutsche Jurist war u.a. von 2006 bis 2020 Vorsitzender des Bayerischen Heilbäder-Verbandes und ist 1. Vorsitzende des Tourismusverbandes Allgäu/Bayerisch Schwaben. Seit seiner Jugend ist der Allgäuer mit verschiedenen Mandaten in politisch aktiv. Das kommt auch in Holetscheks Rede zur Eröffnung der Allgäuer Festwoche zum Ausdruck. Der Staatsminister möchte seine Heimat zu einer Art „Blaupause" im Bereich der Pflege- und Gesundheitspolitik machen. Weichen sollen so gestellt werden, dass Pflegenotstand u.a. durch den Abbau von Bürokratie und technischer Innovation, Stichwort Digitalisierung, behoben wird und auch im ländlichen Raum die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gesichert bleibt, trotz Kostendruck und „…Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach". Dabei setzt Holetschek u.a. auf die Innovationskraft der Hochschule Kempten und einen Allgäuer Wertekanon, der eine solche Politik begünstigt. Holetschek bekennt sich zur heimischen Landwirtschaft und tritt ein für die Weiterentwicklung des Spitalhofs in Kempten, den Ausbau der Infrastruktur – vulgo der Bundesstraße 12 und der Elektrifizierung der Bahn, dem Allgäu als Tourismusregion und der Erweiterung des Allgäu Airports. Dem Wolf gestattet Holetschek kein dauerhaftes Bleiberecht im Allgäu. Am Ende würdigt der Staatsminister zwei Männer. Er bedankt sich für den unermüdlichen Einsatz des Allgäuer CSU-Urgesteins Thomas Kreuzer für das Allgäu, der in diesem Jahr seine politische Karriere in der Poltik beenden wird. Schliesslich kommt unter großem Applaus Josef Mayr auf die Bühne. Mayr wird vom Staatsminister mit der Bayerischen Staatsmedaille für Verdienste um Gesundheit und Pflege ausgezeichnet. „Niemand anderes hat sich als Vorstand des Hospizvereins Kempten-Oberallgäu e.V., so sehr für ein würdevolles Sterben eingesetzt, wie Kemptens ehemaliger 3. Bürgermeister.", sagt Klaus Holetschek.