Trendstudie Jugend in Deutschland 2024 vorgestellt
«Aussicht auf ein gutes Leben schwindet»
Zur Landtagswahl im vergangenen Jahr wurden in Kempten wieder die Spitzenkandidaten der Parteien zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, bei der es traditionell um Jugendthemen ging. Eingeladen waren alle Spitzenkandidaten mit Ausnahme von Andreas Mayer, Spitzenkandidat der AfD. Der konnte sich dann allerdings im Nachgang an der zum ersten Mal durchgeführten U-18 Wahl über einen ersten Platz in der Wählergunst der Kemptener U-18 Wähler freuen, dicht gefolgt vom Kandidaten der CSU Joachim Konrad. Abgeschlagen die Kandidaten der SPD, Grüne und FDP.
Trend nach Rechts
Diese Erfahrungen spiegelt auch die aktuell veröffentliche 7. Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024 " der bekannten Studienautoren Simon Schnetzer (Studienleitung), Kilian Hampel und Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Hurrelmann auf. Aktuell addieren sich viele gesellschaftliche Krisen zu einer eher pessimistischen Grundhaltung bei einer Mehrheit innerhalb der Gruppe der 14- bis 29 jährigen, wie es die Studie bei einer Befragung von 2042 Personen aus dieser Alterskohorte belegt. Dabei wirken ebenso traumatische Erfahrungen aus der Corona-Pandemie nach sowie eine Weltlage mit hoch gefährlicher Kriegsszenarien, in Deutschland gepaart mit einer sich eintrübenden wirtschaftlichen Lage und anziehender Inflation. Im Hintergrund wirken bestehende Krisen wie der Klimawandel weiterhin als Bedrohungsszenario. In der Studie geben die Befragten an, dass sie sich am meisten um die Inflation sorgen (65%), um eine drohende Kriegsgefahr (60%) und um bezahlbaren Wohnraum (54%). Es zeigt sich in der Studie u.a., dass hierbei die Jugendlichen keine Antworten bei den Regierenden finden, was zu einem Schwenk hin zu oppositionellen Parteien wie der Union, aber auch der AfD führt.
Wirtschaftliche Lage trübt sich ein
Die Stimmung scheint zu kippen, das zeigt sich in einem hohen Ausmaß von psychischen Belastungen wie Stress (51%), Erschöpfung (36%) und Hilflosigkeit (17%).11 Prozent der Befragten geben an, aktuelle wegen psychischen Störungen in Behandlung zu sein. Vor allem aber bedrückt die wirtschaftliche Lage. Die Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass sich die ökonomische Situation in Deutschland verschlechtern wird. „Unsere Studie dokumentiert eine tiefsitzende mentale Verunsicherung mit Verlust des Vertrauens in die Beeinflussbarkeit der persönlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen“, so Simon Schnetzer. „Die Aussicht auf ein gutes Leben schwindet. Die große Frage für alle Akteure in der Gesellschaft wird sein, wie sie junge Menschen für eine positive Vision im Land begeistern und sie an Veränderungsprozessen beteiligen können.“
Hohe Unzufriedenheit
Die großen finanziellen Sorgen der jungen Menschen in Deutschland aufgrund von Inflation (65%), teurem Wohnraum (54%) und Altersarmut (48%), aber auch die Spaltung der Gesellschaft (49%) oder die Zunahme von Flüchtlingsströmen (41%) führen zu hoher Unzufriedenheit der jungen Generation mit ihrer Lebenssituation und den politischen Verhältnissen. Das Potenzial für rechtspopulistische Einstellungen in der jungen Generation hat sich deutlich verstärkt, wie ein Vergleich mit früheren Studien zeigt. „Wir können von einem deutlichen Rechtsruck in der jungen Bevölkerung sprechen. Das schlägt sich in den politischen Präferenzen der 14- bis 29-Jährigen nieder. Während die Parteien der Ampel-Regierung in der Gunst immer weiter absinken, hat die AfD besonders großen Zulauf.“, resümiert Klaus Hurrelmann.
Medienkompetenz fehlt
Die Studie untersucht die Lebenssituation der jungen Generation von der Schule bis zur Erwerbstätigkeit. „Die Ergebnisse zeigen dringenden Handlungsbedarf: Die jungen Menschen kritisieren ein eklatantes Digitalisierungsdefizit im gesamten Bildungsbereich und in der Wirtschaft in Deutschland. Außerdem beklagen sie, dass ihre schulische Ausbildung sie zu wenig auf das wirkliche Leben und die Arbeitswelt vorbereitet.“, so Kilian Hampel. Dank demografischem Wandel rechnen junge Absolventinnen und Berufstätige dennoch mit sehr guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, was auch damit zusammenhängt, dass mittlerweile 24 Prozent der 18- bis 29-jährigen Erwerbstätigen bereits Abwerbeangebote erhalten. Die Studienergebnisse belegen auch, dass digitaler Überkonsum die Psyche maßgeblich beeinflusst: Jugendliche mit einer hohen täglichen Bildschirmzeit am Smartphone haben nach eigenen Angaben deutlich stärker mit psychischen Belastungen zu kämpfen.
Schnetzer im Interview bei ARD
In einem Interview bei den Tagesthemen in der ARD am Abend nach Veröffentlichung der Studie erklärte der Jugendforscher Simon Schnetzer, dass einer Mehrheit der Jugend das Gefühl fehlt, ernst genommen zu werden. Grundsätzlich sei die Jugend bereit Verantwortung zu übernehmen, verlange von den Verantwortlichen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft aber mehr als eine reine Scheinbeteiligung, sondern verlange, „einen Grad von Selbstwirksamkeit" zu spüren.„Das führe bei den Jugendlichen zu mehr Zufriedenheit.", so Schnetzer.