Ein Beitrag der Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller

Pflege neu denken –  was der kranken Pflege helfen kann

Auch im Oberallgäu zeichnet sich ab, dass sich die Situation bei der Pflege älterer Menschen künftig verschärfen wird. Um hier steuern zu können, hat Landrätin Baier-Müller klare Forderungen an die Bundespolitik, die sin der folgenden Pressemitteilung formuliert.

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Bild: Ralf Lienert
Um die Situation in der Pflege zu verbessern, fördert und unterstützt der Landkreis die regionalen Akteure und Strukturen mit Angeboten zur Vernetzung, finanziellen Mitteln und Know-How.  Das reicht jedoch nicht, um die künftigen Herausforderungen erfolgreich zu meistern.

Nachdem sich in der vergangenen Woche die bayerischen Landrätinnen und Landräte im Rahmen einer offenen Klausurtagung mit der sich zunehmend verschärfenden Situation bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen beschäftigt haben, stellt die Oberallgäuer Landrätin jetzt sieben konkrete Forderungen auf, um die Lage in der Pflege nachhaltig zu verändern.
Die wesentlichen Schlüssel fasst die Landrätin wie folgt zusammen:

-          Ressourcen effizient nutzen - Fachkraftquote senken und Ressourcen bündeln
-          Vertrauen schaffen – Abschaffung doppelter Prüfstrukturen (MDK/FQA) auch um finanzielle und personelle Ressourcen an anderer Stelle für die Pflege zu verwenden
-          Potentiale nutzen - Zuwanderung für Fachkräfte und Auszubildende erleichtern und beschleunigen; Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf vereinfachen, Teilzeitmodelle in der Ausbildung unterstützen
-          Zeit für Pflege – Bürokratie abbauen und Dokumentationspflichten klug reduzieren
-          Den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen – Sektorierungim Pflegebereich überwinden und Ressourcen des sozialen Umfelds nutzen
-          Alternative Betreuungsformen ausbauen – Kooperationen stärken und ordnungsrechtliche Hürden abbauen
-          Gesellschaftliches Engagement stärken – Ehrenamt im Bereich Pflege und Demenz wertschätzen, Angehörige entlasten und professionell unterstützen.

„Auch im Oberallgäu haben wir eine Situation, die sich durch den Dreiklang  aus fehlenden Arbeitskräften, steigenden Pflegebedarfen und  einer zunehmenden Anzahl von Angehörigen, die an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen,  immer weiter verschärft“, erklärt die Landrätin ihren Vorstoß. „Wenn wir auch zukünftig eine angemessene und hochwertige Versorgung der älteren Menschen sicherstellen wollen, muss insbesondere die Bundespolitik  endlich handeln,. Es darf nicht sein, dass wir Pflegekräfte und Angehörige mit der sich verschärfenden Situation allein lassen.“

Situation im Landkreis Oberallgäu

Ein Blick in die Prognosen des  Hildesheimer Modells des Landkreises Oberallgäu zeigt, wie sehr sich die ohnehin angespannte Lage im Pflegesektor in den kommenden 15 Jahren noch weiter verschärfen wird: Im Vergleich zum Stichtag 31. Dezember 2022 wird der Anteil der ab 70-Jährigen im Kreis bis zum Jahr 2037  um knapp 7.000 Personen ansteigen. Sie machen dann einen Anteil von 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung aus. Auch die Anzahl der ab 85-Jährigen wird um  46 Prozent  bis 2047, zunehmen. Eben diese Personengruppe ist es auch, die statistisch betrachtet besonders häufig pflegebedürftig wird. Bereits das Seniorenpolitische Gesamtkonzept aus dem Jahr 2020 zeigte im Rahmen der Pflegebedarfsprognose auf, dass die Zahl der Pflegebedürftigen im Landkreis Oberallgäu bis zum Jahr 2038 von 3.753 (in 2017) auf 5.375 steigen wird.
Gleichzeitig wird die Zahl der zu Hause lebenden und betreuten Personen aufgrund der demografischen Effekte und damit der überproportionalen Zunahme an Hochaltrigen um 1,6 Prozent bis 2038  sinken.
 
Die Strategie des Landkreises

Der Landkreis Oberallgäu hat in den vergangenen Jahren mit der Fachstelle für Senioren, dem Pflegestützpunkt und der GesundheitsregionPlus personell und fachlich gut besetzte Anlaufstellen geschaffen, die insbesondere die Entwicklungen beobachten, Datengrundlagen schaffen und daraus bedarfsorientiert Maßnahmen sowie landkreisweite Projekte initiieren., Darüber hinaus werden Bürgerinnen und Bürger im Pflegefall neutral beraten und unterstützt sowie Ehrenamtliche geschult und Kommunen bei ihren Planungen vor Ort bei Bedarf fachlich begleitet. Eine Hauptaufgabe besteht außerdem darin, die Vielzahl an involvierten Akteuren im Pflegesetting sinnvoll zu vernetzen und hierfür niederschwellige Austauschmöglichkeiten zu schaffen.. Nicht zuletzt wurde mit der Gründung des Sachgebiets Demografische Entwicklung im Landratsamt eine Stelle geschaffen, die all diese Bemühungen unter einer fachlichen Leitung verknüpft und koordiniert.

Gleichzeitig wurde die Zusammenarbeit mit der Freiwilligenagentur Oberallgäu intensiviert und ein neues Konzept zur Kooperation des Pflegestützpunktes mit der Fachstelle für pflegende Angehörige erarbeitet, durch welches zusätzliche Fördermittel für die gemeinsame Umsetzung von Projekten akquiriert werden konnten. Jährlich fließen außerdem im Rahmen einer Investitionskostenförderung 150.000 Euro aus Landkreismitteln an ambulante Pflegedienste mit Versorgungsradius im Oberallgäu, welche letztlich zur finanziellen Entlastung der Pflegebedürftigen führen. Um einen wissenschaftlich fundierten Überblick über die zu erwartenden demografischen Entwicklungen im Bereich der Pflege zu erhalten und mögliche Trends frühzeitig zu erkennen, wird die Pflegebedarfsprognose auch künftig bei Bedarf regelmäßig fortgeschrieben.
Letztlich wirken all diese Maßnahmen darauf hin, dass Pflegebedürftige so lange wie möglich daheim wohnen können – ohne dabei die pflegenden Angehörigen zu überfordern. Bereits 2019 gaben über 80 Prozent der Oberallgäuerinnen und Oberallgäuer an, mit Unterstützung von Angehörigen, Nachbarinnen und Nachbarn oder ambulanter Pflege künftig weiter Zuhause wohnen bleiben zu wollen. Daher ist eine gute ambulante und ehrenamtliche Versorgungsstruktur im Landkreis auch künftig von größter Bedeutung. Gelingt es so, den Anteil der häuslich versorgten Pflegebedürftigen – entgegen der Prognosen – bis zum Jahr 2030 auf 75 Prozent zu steigern, würden theoretisch die vorhandenen 1.249 stationären Pflegeplätze im Landkreis bis in die 30er Jahre hinein reichen Entscheidend wird aber auch hier sein, dass ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Das Fazit der Landrätin

„Wir benötigen für eine menschenwürdige Pflege in der Zukunft neue Konzepte und neue Ideen. Deshalb sollten wir uns gemeinsam mit allen Beteiligten und Verantwortlichen jetzt ohne Denkverbote über Lösungen unterhalten. “, kommentiert Landrätin Indra Baier-Müller die Bemühungen des Landkreises und fährt fort: „Anstelle von ständig neuen Einschränkungen und Vorgaben brauchen wir größere Spielräume. Nur so können wir das Vertrauen der Betroffenen vor Ort zurückgewinnen und glaubhaft vermitteln, dass wir willens und in der Lage sind, auch pflegebedürftigen Menschen ein würdiges Leben im Alter zu ermöglichen.“