Keine „L'amour toujours" auf Allgäuer Festwoche?

Verbote verbieten?

From the river to the sea…", skandierten unlängst junge Menschen auf Demonstrationen in Berlin und Frankfurt. Ihr Protestlied richtete sich gegen das Vorgehen einer ultra-nationalistischen israelischen Regierung, die ihren Konflikt mit Palästina ausschliesslich und final auf militärische Art zu lösen versucht.

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Der Kemptener CSU-Stadtrat Peter Wagenbrenner (l.) stellte einen Antrag zum Abspielverbot von „L'amour toujours" auf der Festwoche. Stadtrat Thomas Kaser (r.) hält nun da...Bild: Jörg Spielberg
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Es gab Strafbefehle gegen die Demonstranten, von denen nicht wenige einen Migrationshintergrund haben. Eine Straftat stellt das Zeigen oder Skandieren dieser These, die Israel keinen Platz in einem zukünftigen Palästina einräumt, aber offenbar nicht dar, u.a. deshalb weil sich hieraus keine Aufforderung zu einer Straftat nach § 111 StGB ableiten lässt und zudem ein Inlandsbezug fehlt. Dem, dem das Lied zugesprochen wird, hat längst seinen Frieden mit all dem geschlossen. Yasser Arafat, ehedem PLO-Führer aus den 70er Jahren, schlummert in seinem aus EU-Steuergeldern finanzierten Mausoleum in Palästina und schert sich wenig um die Exegese seiner Liedtexte.

Strafbare Dummheit?

Ob Strafbefehle auf das Absingen des Liedtextes „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!" erlassen werden können, das wird aus aktuellem Anlass gerade von deutschen Gerichten geprüft. Anlass war eine allzu feuchtfröhliche Party einer vermeintlich gelangweilten Oberschicht, die den ursprünglich englischen Liedtext des Schlagers „L'amour toujours" des italienischen DJs Gigi d'Agostino in der Sylter Nobelkneipe „Pony" fälschlicherweise mit den Worten „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!" „übersetzte". Das Lied des Italieners aber handelt, wie könnte es anders sein, von „Immerwährender Liebe", etwas was auf diesem Planeten scheinbar nur noch in Schlagertexten besungen wird.

Verbote verbieten?

Kurt Tucholsky, ein deutsch-jüdischer Schriftsteller und Humorist, dessen Schriften im Dritten Reich verboten waren, hat einmal gesagt: „Nie geraten die Deutschen so außer sich, wie wenn sie zu sich kommen wollen." Davon legt der aufziehende Sturm der Entrüstung im „Empörium Germanicum" Zeugnis ab. Die Ankündigung der Organisatoren der Münchner Wies'n und des Stuttgarter Wasens heuer das Abspielen des Tanzhits „L'amour toujours" zu verbieten, führt nun auch im beschaulichen Allgäu dazu, sich irgendwie zur Causa „Sylt" zu verhalten. Stadtrat Peter Wagenbrenner von der CSU stellte unlängst im Kemptener Stadtrat den Antrag das Abspielen von Gigi d'Agostinis „Amour toujours" zu verbieten. Thomas Kaser, parteiloser Stadtrat in Kempten, stellte nun an Oberbürgermeister Thomas Kiechle einen Antrag, genau dieses nicht zuzulassen. Das Lied müsse in seiner ursprünglichen Fassung mit englischem Liedtext auch auf der Allgäuer Festwoche zu hören sein dürfen, so Kaser. Vielleicht wäre gerade der baldige „Tag der Chöre" im Rahmen des Stadtfestes der ideale Rahmen, um an all die verbotenen Lieder zu erinnern. Niemand geringer als der deutsche Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben könnte davon ein „Lied singen". Die 1. Strophe seines Deutschlandliedes blieb aus guten Gründen (die er selbst nicht zu verantworten hatte) bis heute verboten, aber sein einstmals verbotenes Lied „Die Gedanken sind frei" ist so aktuell (befreiend) wie ehedem.

Nachfolgend der Antrag des Stadtrats Thomas Kaser, parteilos, im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

das Lied l'amour toujours nach Antrag vom 27.05.2024 von Peter Wagenbrenner zu verbieten, dass zufällig bei dem rassistischen Gegröle mehrerer Party-Gäste einer Bar auf Sylt abgespielt wurde, ist absurd und entzieht sich jeglichem tun. Das der Italienische DJ Gigi D'Agostino mit deinem Liebeslied nichts dafür kann, ist offensichtlich und bedarf eigentlich keinerlei Begründung.
Wäre zufällig Elvis Presley mit dem Song Love me Tender abgespielt worden, hätte womöglich bei diesem Klassiker Peter Wagenbrenner und der Mainstream auch das Verbot gefordert.
Es einfach hanebüchen, was zurzeit in unserer Gesellschaft geschieht, müssen immer solche Sanktionen gefordert werden, ohne sich näher mit dem Künstler oder Gesamtsituation zu beschäftigen?
Es wäre wohl angebracht, allen beteiligten aus Sylt ein Hausverbot für die Allgäuer Festwoche auszusprechen, als ein abspielverbot für ein Liebeslied zu fordern.
Ich finde es auch nicht richtig, dass es auf dem Oktoberfest verboten wird. Der Künstler hat beim Komponieren bestimmt nicht im Ansatz daran gedacht, dass es für Naziparolen missbraucht wird.
Umso rassistischer finde ich, dass ein Italienischer DJ-Komponist aus diesem Grund ausgeschlossen wird. Es ist schade, dass ein erfolgreicher Künstler mit einem erfolgreichen Lied aus dem Jahr 2001 auf diese Weise diskreditiert wird.
Ich glaube zu wissen, dass die Allgäuer und Kemptener dieses Lied nicht für „rechtsradikalen Parolen“ missbrauchen werden.

Ich stelle aus diesem Grund den Antrag von Peter Wagenbrenner, der dem Mainstream folgt, aus den genannten Gründen nicht zu folgen und das Lied nicht zu verbieten.
Der Ansatz etwas zu verbieten, wäre in diesem Fall der falsche Weg, denn das ist es, was die Gesellschaft und unsere Demokratie schwächt! Hier sollten wir doch dem Staatsschutz seine Arbeit machen lassen.

Hier der Songtext übersetzt, falls ein Stadtrat kein Englisch kann.

L'AMOUR TOUJOURS LYRICS ÜBERSETZUNG

Ich vertraue immer noch deinen augen
Und beachte einfach gar nicht, was du in deinem Leben getan hast
Schatz, ich werde immer an deiner Seite sein
Aber lass mich nicht zu lange warten
Ich kann es nicht abstreiten, ich gehöre wohl zu deinem Leben
Obwohl ich es manchmal abgestritten habe, meine Liebe zu dir versteckt habe
Sei mein Schatz und wir fliegen davon...
Du und ich
Ich habe dich immer nur betrogen, ausgenutzt
Aber du warst trotzdem an meiner Seite
Immer habe ich gesagt, es sei schon alles ok
Sei mein Schatz und wir fliegen davon...
Du und ich